Der Steuerverbund zwischen Land und Gemeinden

Artikel 106 Abs. 7 Satz 1 GG verpflichtet die Länder, den Gemeinden und Gemeindeverbänden einen von der Landesgesetzgebung zu bestimmenden Prozentsatz von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern, nämlich der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer zur Verfügung zu stellen (obligatorischer Finanzausgleich). Im Übrigen bestimmt nach Artikel 106 Abs. 7 Satz 2 GG die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen eines fakultativen Finanzausgleichs zufließt. Das Land Rheinland-Pfalz hat in diesem Rahmen die Einnahmen des Landes aus der Kraftfahrzeugsteuer bzw. inzwischen der entsprechenden Kompensationsleistungen des Bundes, der Vermögensteuer (inzwischen abgeschafft), aus dem Länderfinanzausgleich, aus den Bundesergänzungszuweisungen, aus 70 % des Aufkommens der Grunderwerbsteuer und aus 35,2 % des Aufkommens der Erbschaft- und Schenkungsteuer in den Steuerverbund mit einbezogen. Die Kommunen erhalten von diesen Einnahmen des Landes, der sog. Verbundmasse (2019: rd. 13,5 Mrd. Euro), seit dem Haushaltsjahr 2002 21,0 % (Verbundsatz). Der Verbundsatz, der die Höhe der Finanzausgleichsmasse letztlich entscheidend mitbestimmt, wurde seit Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichsgesetzes wiederholt vom Landesgesetzgeber geändert (1977: 21,0 %; 1978: 21,5 %; 1980: 23,0 %; 1986: 20,75 %; 1987: 21,0 %; 1988: 20,625 %; 1989: 20,25 %; 1992: 19,75 %; 1996: 20,25 %; seit 2002: 21,0 %). Seit dem 1. Januar 2014 gibt es unterschiedliche Verbundsätze für die Einnahmen des obligatorischen Finanzausgleichs (21 %) und des fakultativen Steuerverbunds (27 %). Ferner wurde dem fakultativen Steuerverbund das Aufkommen des Landes aus den Erhöhungen der Normal-Gewerbesteuerumlage (5 %-Punkte für den Fonds „Deutsche Einheit“ sowie 29 %-Punkte für den Solidarpakt II) zugeschlagen. Über diesen Weg wurden zum einen Mehreinnahmen im KFA für neue Ausgabepositionen (Finanzierung des Winterdienstes im Bereich der Ortsdurchfahrten, zum Ausgleich von Zuständigkeitsänderungen, für Zuweisungen für den Bezirksverband Pfalz sowie die Einbeziehung der Abgeltung von Sozialleistungen - insgesamt 74 Mio. Euro) sowie zum anderen für die bereits erwähnte Verstärkung der Finanzausgleichsmasse um 50 Mio. Euro generiert. Die Erhöhungen der Gewerbesteuerumlage entfallen endgültig zum 01. Januar 2020. Damit fließt dieser Anteil der Gewerbesteuereinnahmen (gut 200 Mio. Euro) wieder ungeschmälert der gemeindlichen Ebene zu. Eine Kompensation der dadurch gleichsam erfolgenden Reduktion der Verbundmasse ist jedoch seitens des Landes nicht vorgesehen, was letztlich einer Verminderung der Landesleistungen an die Kommunen in Höhe von gut 50 Mio. Euro gleichkommt.

Zum Zwecke der Verstetigung der Leistungen aus dem kommunalen Finanzausgleich wurde 2003 der sog. Beistandspakt in den KFA eingeführt. Er diente in den folgenden steuerschwachen Jahren der Verstetigung der Leistungen aus dem KFA auf Kreditbasis. Letztlich wurde damit aber eine eigentlich notwendige Erhöhung des Verbundsatzes zur Finanzierung insbesondere enorm steigender Sozialleistungen seitens des Landes umgangen. Dies belegen die in den Folgejahren stark angestiegenen Liquiditätskredite der Kommunen auf rund 6,4 Mrd. Euro Ende 2017. Der ursprüngliche Beistandspakt wurde zum 1. Januar 2007 in das System eines Stabilisierungsfonds (§ 5 a LFAG) überführt, der vom Ministerium der Finanzen verwaltet wird. Ziel des Stabilisierungsfonds ist nunmehr der Aufbau einer Finanzreserve für den kommunalen Finanzausgleich zur Verstetigung der Finanzausgleichsmasse, wobei zunächst die Rückzahlung des bis 2007 aufgelaufenen Verstetigungsdarlehns in Höhe von 688 Mio. Euro bewältigt werden musste. Dies bedeutete in der Praxis, dass die als Verstetigungssumme deklarierte Fortschreibung der KFA-Leistungen über Jahre nur gering ausfiel. Die Verstetigungssumme wird nach einem komplizierten Berechnungsmodus, weitgehend pauschal (orientiert an der durchschnittlichen Entwicklung der Steuereinnahmen des Landes der zurückliegenden neun Jahre) und nicht bedarfsabhängig fortgeschrieben. Ab dem Finanzausgleichsjahr 2013, nach vollständiger Tilgung des Verstetigungsdarlehns, wird – nach dem Vorschlag des Finanzministeriums und der Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers – ein Verstetigungsguthaben (auch kommunale Finanzreserve genannt) im Stabilisierungsfonds aufgebaut, das bis 2015 aufgrund der günstigen Steuereinnahmesituation mittlerweile auf ca. eine halbe Millarde Euro angewachsen ist. Gleichzeitig steigen bei vielen Städten, Kreisen und Gemeinden die Liquiditätskredite und die hieraus resultierenden Finanzierungslasten weiter an. Inzwischen findet aber eine Verzinsung des im Fonds angelegten kommunalen Vermögens bzw. gegebenenfalls eines Verstetigungsdarlehns durch das Land statt. Entsprechend einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände wurde 2014 eine Begrenzung der Vermögensansammlung (Deckelung) im Stabilisierungsfonds eingeführt, allerdings auf einem deutlich höheren Niveau als gefordert. Gespeist wird der Stabilisierungsfonds letztlich durch die Differenz der im KFA festgesetzten Verstetigungssumme zur höheren Finanzausgleichsmasse (Landesleistungen nach Abrechnung vorausgegangener Finanzausgleichsjahre). Ist die Verstetigungssumme höher als die Finanzausgleichsmasse erfolgt eine Entnahme aus dem Stabilisierungsfonds. Der Stabilisierungsfonds wurde mit der LFAG-Novelle 2018 in eine Stabilisierungsrechnung überführt. Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags aus dem gleichen Jahr wird das Verstetigungsguthaben damit Bestandteil des allgemeinen Landeshaushalts und ist nicht mehr ohne Weiteres vor dem Zugriff des Haushaltsgesetzgebers geschützt. Darüber hinaus beklagen die kommunalen Spitzenverbände, dass sich das Land bereits seit mehreren Jahren aus dem Guthaben des Stabilisierungsfonds bedient hat, um überplanmäßige Ausgaben im Landeshaushalt, konkret aus dem Bereich der Zweckzuweisungen, zu decken.

Die Finanzausgleichsmasse wird nach den Ansätzen im Landeshaushaltsplan vorläufig und nach Ablauf des Haushaltsjahres endgültig errechnet. Ihr Volumen wird ergänzt durch die sog. Finanzausgleichsumlage nach § 23 LFAG. Sie wird sodann aufgeteilt in Allgemeine und Zweckgebundene Zuweisungen. Die Allgemeinen Finanzzuweisungen dienen im Wesentlichen der Verstärkung der allgemeinen Deckungsmittel. Sie sind nicht zweckgebunden, d. h. die Gemeinden können im Rahmen der Haushaltsplanung eigenverantwortlich über ihren Einsatz entscheiden. Demgegenüber werden die Zweckgebundenen Finanzzuweisungen speziell zur Durchführung bestimmter kommunaler Aufgaben bereitgestellt. Gerade der Bereich der Zweckzuweisungen ist in den vergangenen Jahren durch bis dahin aus originären Landesmitteln finanzierte Zuweisungen und Leistungen wiederholt „befrachtet" worden, was bei der Entwicklung der Finanzausgleichsmasse und damit der insgesamt den Kommunen zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem kommunalen Finanzausgleich zu beachten ist. Alle anderweitig in Anspruch genommenen Finanzausgleichsmittel gehen letztlich zulasten der finanzkraftabhängigen Schlüsselzuweisungen B 2. Zum 1. Januar 2002 entzog das Land den kreisfreien Städten und Landkreisen den ihnen bis dahin zustehenden 4/7-Anteil an der Grunderwerbsteuer und führte den entsprechenden Betrag als Teilersatz der Verbundmasse (damit nur in Höhe von 21 % der Finanzausgleichsmasse) zu. An dem Aufkommen aus der Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes von 3,5 % auf 5 % ab 1. März 2013 erfolgt keinerlei kommunale Beteiligung.

Inhaltsverzeichnis

Autor: Ernst Beucher, Jürgen Hesch Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel