Städtebauliche Verträge

Städtebauliche Verträge bieten vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit privaten Investoren im Zuge kommunaler Baulandmobilisierung. Flexibilität, administrative Entlastung, Streitvermeidung, Abbau kommunaler Regelungsdichte, Verminderung kommunaler Kosten bei der Baulandbereitstellung, Partizipation der Verwaltung an den besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten der Bürger, Outsourcing, „public-private-partnership” usw. sind nur einige Schlagworte aus der Diskussion.

Das geltende Recht erwähnt eine vertragliche Zusammenarbeit mit Privaten im Gesetz an verschiedenen Stellen. Von besonderer Bedeutung ist die Vorschrift des § 11 BauGB, die im Wesentlichen eine vorsichtige Kodifizierung der durch Rechtsprechung und Literatur erarbeiteten Regeln für städtebauliche Verträge darstellt und der Absicherung des Vertrages als Handlungsmittel im Städtebaurecht dient. Bereits seit langem bekannt und in der Praxis erprobt ist der Erschließungsvertrag, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Daneben findet sich u. a. der Durchführungsvertrag, den der Vorhabenträger und die Gemeinde im Hinblick auf den vorhabenbezogenen Bebauungsplan und den darin integrierten Vorhaben- und Erschließungsplan schließen, § 12 BauGB.

Das Gesetz stellt zunächst ausdrücklich klar, dass ein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplanes durch Vertrag nicht begründet werden kann, § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB. Generell gilt, dass die Gemeinde ihre Planungshoheit nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit ausüben muss und nicht davon abhängig machen darf, ob Eigentümer bereit sind, ihre Grundstücke an die Gemeinde zu veräußern. So hat etwa das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass bei der Ausweisung eines Wohngebietes auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche im Außenbereich die Gemeinde einen inmitten des Wohngebietes liegenden Bereich nicht allein deshalb unbeplant lassen darf, weil der Eigentümer nicht zum Verkauf an die Gemeinde bereit ist.
Städtebauliche Verträge bedürfen der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Städtebauliche Verträge, die mit Grundstücksübertragungen verbunden sind, bedürfen der notariellen Beurkundung.

Der städtebauliche Vertrag unterliegt wie jeder andere öffentlich-rechtliche Vertrag dem sog. Übermaßverbot. Dies ist bereits angesichts der Monopolstellung der Gemeinden in Bezug auf die Ausweisung neuen Baulandes gerechtfertigt. Eine besondere Ausprägung hat das Übermaßverbot im sog. Kopplungsverbot erfahren, d. h. die vom Privaten zu erbringenden Leistungen müssen in einem sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Gemeinde stehen, und es darf keine Leistung des Privaten vereinbart werden, wenn auch ohne sie ein Anspruch auf die Gegenleistung besteht.

Beispiel:
Macht eine Gemeinde die Änderung eines Bebauungsplanes (z. B. Ausweisung eines Außenbereichsgrundstückes als Wohngebiet) in einem Vertrag davon abhängig, dass der bauwillige Eigentümer anstelle eines nicht mehr festsetzbaren Erschließungsbeitrages an sie einen Geldbetrag für einen gemeinnützigen Zweck (z. B. Unterhaltung städtischer Kinderspielplätze) leistet, so verletzt sie damit das sog. Kopplungsverbot; der Vertrag ist gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nichtig.
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages kann die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen auf eigene Kosten des Privaten sein. Der Vertrag kann insbesondere umfassen:

  • die Ausarbeitung des Bebauungsplanes,
  • die der Erstellung des Planentwurfs vorausgehenden Gutachten,
  • die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse,
  • die Bodensanierung.

Möglich sind auch Verträge zur Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele. In Betracht kommt z. B. die vertragliche Übernahme von Baupflichten. Damit wird sichergestellt, dass neugeschaffenes Bauland nicht nur eine Option bleibt, sondern auch zügig einer Bebauung zugeführt wird. Verpflichtet werden kann der Vorhabenträger nicht nur zur Bebauung entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes, sondern auch zur Durchführung des im Bebauungsplan festgesetzten Ausgleichs für zu erwartende Eingriffe in Natur und Landschaft auf seine Kosten.

Von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB sind auch die sog. Einheimischenmodelle erfasst: In landschaftlich reizvollen Gegenden, im Bereich von Fremdenverkehrsgemeinden und in ländlichen Gemeinden, die in der Nähe von Ballungszentren liegen, haben Einheimische, insbesondere junge Familien, regelmäßig keine Chance auf den Erwerb von preiswerten Grundstücken, da finanzkräftige Auswärtige auf Grund der ungebrochenen hohen Nachfrage gerne bereit sind, erheblich höhere Preise für Grundstücke in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu zahlen. Um einem solchen Verdrängungseffekt entgegenzuwirken und sicherzustellen, dass Baugrund zu angemessenen Preisen auch für die ortsansässige Bevölkerung zur Verfügung steht, werden seit längerem verschiedene Einheimischenmodelle angewandt. In einer Grundsatzentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Sicherung von Bauland für Einheimische als legitime kommunalpolitische und raumordnerische Zielsetzung anerkannt. Auch vom Europäischen Gerichtshof werden die Einheimischenmodelle grundsätzlich für rechtmäßig erachtet, wenn sie auf angemessenen Kriterien beruhen (EuGH, 8. Mai 2013 C-197/11; C-203/11). Der Status „Einheimischer“ knüpft nicht an die Bestimmungen der Gemeindeordnung und die dortigen Definitionen für Einwohner und Bürger an. Sachliche Erwägungen lassen hier Raum für in den jeweiligen Gemeinden individuelle Regelungen (typische Kriterien sind Hauptwohnsitz in der Gemeinde seit . . Jahren; Gemeinde ist Geburtsort; Arbeitsplatz in der Gemeinde; Bewerber ist nicht Eigentümer bebauter oder bebaubarer Grundstücke). Die EU-Kommission, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit und die Bayerische Staatsregierung habensich nach langjährigen Verhandlungen auf Leitlinien einigen können, bei deren Anwendung die EU-Kommission keine Einwände mehr gegen die praktizierten Einheimischenmodelle erhebt. Diese Leitlinien sind veröffentlicht in GStB-Nachricht Nr. 0049 vom 6. März 2017.

Möglich ist es auch, durch städtebauliche Verträge Aufwendungen zu refinanzieren, die den Gemeinden als konkrete Folge neuer Ansiedlungen für Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs entstehen. Allerdings kann einem Investor nicht auferlegt werden, einen gemeindlichen Nachholbedarf („marode Infrastruktur“) zu befriedigen.

In diesem Zusammenhang problematisch sind die zahlreichen Versuche von Gemeinden, an den Bodenwertsteigerungen im Zusammenhang mit Baulandausweisungen zu partizipieren. Die Abschöpfung planungsbedingter Bodenwertsteigerungen ist nämlich nur insoweit zulässig, als sie zur Finanzierung von Kosten dient, die unmittelbar durch das Vorhaben des Investors verursacht werden, darüber hinaus ist die Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen im Sinne eines Planungswertausgleichs von der gegenwärtigen Rechtslage nicht gedeckt. Es ist daher davor zu warnen, abstrakt, d. h. ohne Berücksichtigung der konkreten Kosten, irgendwelche Quoten für die Abschöpfung entwicklungsbedingter Bodenwertsteigerungen vorzugeben.

Zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens wird in § 4 b BauGB ausdrücklich geregelt, dass die Gemeinde die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach den §§ 2 a - 4 a BauGB (Begründung zum Bauleitplanentwurf, Erstellung des Umweltberichtes; Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden; grenzüberschreitende Unterrichtung) einem Dritten übertragen kann. Verantwortlich für die Bauleitplanung bleibt die Gemeinde, wenn sich auch die bisherige Verfahrensverantwortung in eine Ergebnisverantwortung wandelt. Aufstellungsbeschluss, Abwägung und Satzungsbeschluss können selbstverständlich nicht auf Dritte übertragen werden.

Dritter kann jeder geeignete Beauftragte sein, wie etwa ein auf Planungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, Planer oder Architekt. Die Gemeinde sollte jedoch sicherstellen, dass mögliche Interessenkollisionen vermieden werden und aus diesem Grunde davon absehen, einem Investor etwa die Durchführung des Beteiligungsverfahrens zu übertragen. Das Planungsgeschehen muss nämlich ein hohes Maß an Neutralität und Interessensferne kennzeichnen und darf nicht durch eine subjektive Abwägungssperre in eine Schieflage geraten.

Gemeinden sollten die Vertragsbindungen und -verpflichtungen, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, sichern. In Betracht kommen zunächst Vertragsstrafen, deren Zweck es ist, die Erfüllung einer Verbindlichkeit zu sichern und dem Gläubiger den Nachweis eines Schadens zu ersparen. Klassisches Sicherungsmittel für Zahlungsverpflichtungen ist die Bankbürgschaft. Im Bereich der städtebaulichen Verträge kommen Vertragserfüllungsbürgschaften wie auch Gewährleistungsbürgschaften in Betracht. Die Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft wird den gemeindlichen Vertragspartner in aller Regel dazu bewegen, seinen Verpflichtungen möglichst umgehend nachzukommen, um die Rückgabe der Bürgschaft zu erreichen, da die Bankbürgschaft eine finanzielle Dauerbelastung für ihn darstellt. Gewährleistungsbürgschaften dienen nach Abnahme der Leistung bzw. Übergabe der Sicherung der Gewährleistungsansprüche. Weitere Sicherungsmittel wären etwa die Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung oder die Vereinbarung von dinglich gesicherten Ankaufs- und Wiederkaufsrechten, wenn die Gemeinde Grundstücke einem Bauwilligen veräußert bzw. eines Ankaufsrechts, das bei vertragswidrigem Handeln des Eigentümers (etwa Verstoß gegen die Einheimischenbindungen oder gegen Baupflichten) ausgeübt werden kann.

Ebenfalls ein städtebaulicher Vertrag ist der sog. Durchführungsvertrag zu dem mit der Gemeinde abzustimmenden Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP). Neben dem Durchführungsvertrag zwischen Vorhabenträger und Gemeinde, in dem vor allem die Durchführungsverpflichtungen und -fristen für das Vorhaben und die Erschließungsanlagen sowie die Kostentragung zu regeln sind, und dem VEP ist das dritte vorhaben- und durchführungsbezogene Element des § 12 BauGB der sog. vorhabenbezogene Bebauungsplan, mit dem im Wesentlichen die Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt wird.

Besonderheit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist die einzigartige Stellung des Privaten bei der kooperativen Schaffung von Baurechten. Der Private hat eine Veto-Position. Ohne den von ihm erarbeiteten und mit der Gemeinde abgestimmten und von ihm vorgelegten Vorhaben- und Erschließungsplan und ohne Antrag des Privaten darf die Gemeinde das Verfahren des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht einleiten.

Finanzstarke Investoren können mit diesem Instrument Bebauungspläne nach ihren Vorstellungen gestalten. Ein von ihnen entworfener (Vorhaben- und Erschließungs-) Plan kann von der Gemeinde oder dem Planungsträger übernommen und als Bebauungsplan beschlossen werden. Im Baugebiet sind dann die Vorhaben zulässig, die der Investor vorher in seinem Plan beschrieben hat. § 12 Abs. 2 BauGB eröffnet dem Investitionswilligen damit die Möglichkeit, selbst die Initiative zu ergreifen und ein Verfahren einzuleiten, an dessen Ende eine Änderung des Planungsrechts steht. Das Gesetz bindet den vorhabenbezogenen Bebauungsplan weder an den Festsetzungskatalog des Baugesetzbuches, noch an die Baunutzungsverordnung oder die Planzeichenverordnung. Die damit eröffnete Gestaltungsfreiheit und Möglichkeit zur Feinsteuerung gründet darauf, dass nicht auf die Bedürfnisse künftiger Bauherrn abzielende Angebotsplanung betrieben wird, sondern eine konkrete städtebauliche Vorhabenplanung stattfindet.

Die vertragliche Durchführungsverpflichtung darf nicht unter einer Bedingung stehen und muss mit einer Frist für ihre Erfüllung versehen sein. Es lassen sich jedoch verschiedene Erleichterungen und Modifikationen vereinbaren, die die belastende Wirkung verringern. So ist etwa eine Abschnittsbildung zulässig und bei Vorhaben von der Größenordnung der Ausweisung gemeindeübergreifender Großvorhaben häufig sinnvoll. Eine derartig gestufte Verpflichtung, bei der die nächste Teilfrist erst beginnt, wenn der vorhergehende Abschnitt abgeschlossen wurde, erhält bei unvorhergesehenen Hindernissen die zeitliche Flexibilität. Auch kann im Vertrag die Möglichkeit der Fristverlängerung durch die Gemeinde auf Antrag des Vorhabenträgers vorgesehen werden.

Weiterhin ist § 60 VwVfG, der die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages aus wichtigem Grund erlaubt, und dessen Voraussetzungen gegeben sind, wenn eine erhebliche, nicht voraussehbare Änderung maßgeblicher Umstände eintritt, sodass der Vertrag bei Kenntnis dieser Änderung nicht geschlossen worden wäre und ein Festhalten an ihm unzumutbar ist, zu beachten. Da diese Möglichkeit zur Lösung vom Vertrag mit einer Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe belastet ist, ist es vorteilhafter, mögliche Kündigungsgründe (soweit diese bereits erkennbar oder vorstellbar sind) vorab im Vertrag zu definieren und so die Unsicherheitsfaktoren zu bekämpfen.

Die Finanzierung des Ausgleichs für den naturschutzrechtlichen Eingriff ist im Durchführungsvertrag zu regeln. Aufgrund von § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB, der die Anwendung der §§ 135 a bis 135 c BauGB ausschließt, gibt es für die Gemeinde keine andere Möglichkeit, als eine Vereinbarung über die Kostentragung bezüglich der Kosten, die sie für die Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen aufwendet bzw. aufgewendet hat, mit dem Vorhabenträger zu treffen.

Verwirklicht der gemeindliche Vertragspartner das vereinbarte Vorhaben nicht fristgemäß, droht ihm, die entschädigungslose Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, eine Möglichkeit, die sich bei „normalen“ Bebauungsplänen frühestens nach sieben Jahren bietet.