Einführung/Hintergründe

Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind nur dann in der Lage ihre Aufgaben (Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung, Auftragsangelegenheiten und freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben) ordnungsgemäß zu erfüllen, wenn ihnen hierfür ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Aus Artikel 28 Abs. 2 GG, Artikel 49 Abs. 5 und 6 LV, § 3 Abs. 1 GemO und § 2 a Abs. 1 LKO resultiert der Anspruch der Kommunen gegen den Staat, die zur Durchführung aller Aufgaben erforderlichen Mittel durch konkrete Kostenerstattungen, das Recht zur Erhebung eigener Abgaben und durch den kommunalen Finanzausgleich – KFA – zu sichern. Neben den originären Einnahmequellen, die den kommunalen Gebietskörperschaften nach Artikel 106 GG zustehen, das sind

  • der 15 %-ige Anteil an dem Aufkommen der Lohn- und veranschlagten Einkommensteuer,
  • seit 1993 der 12 %-ige Anteil an der Zinsabschlagsteuer,
  • seit 1998 der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer,
  • das Aufkommen der Realsteuern abzüglich der Gewerbesteuerumlage sowie
  • das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern einschließlich der Gebühren und Beiträge,

erhalten die Kommunen Finanzzuweisungen der Länder. Mit der zum 14. Juni 2004 (GVBl. S. 321) vorgenommenen Änderung des § 49 Abs. 5 LV wurde das sog. Konnexitätsprinzip („Wer bestellt, bezahlt!“) neu in der Landesverfassung verankert. Das konkretisierende Landesgesetz zur Ausführung des Artikels 49 Abs. 5 LV (Konnexitätsausführungsgesetz - KonnexAG -) datiert vom 2. März 2006 (GVBl. S. 53). Die Finanzzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich ergänzen die hieraus resultierenden gesetzesspezifischen Kostenerstattungen sowie die eigenen Einnahmen der kommunalen Gebietskörperschaften, weil diese insgesamt bei Weitem nicht ausreichen, die sich stellenden Aufgaben zu finanzieren (fiskalische Funktion). Über den Finanzausgleich sollen die Kommunen damit eine Finanzausstattung erhalten, die letztlich eine möglichst kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung im Sinne des Artikels 49 LV und Artikel 28 GG ermöglicht. Über die Höhe einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung, die es den Kommunen erlaubt, zumindest auch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ohne die Aufnahme zusätzlicher Liquiditätskredite zu erfüllen, bestehen allerdings zwischen Ländern und Kommunen, vertreten durch ihre Kommunalen Spitzenverbände, häufig unterschiedliche Auffassungen; so seit Jahren auch in Rheinland-Pfalz. Über den KFA sollen aber auch besondere Aufgabenbelastungen und vor allem unangemessene Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen, die sich zwangsläufig primär aus der kommunalen Ertragszuständigkeit (Grundsteuer A und B sowie Gewerbesteuer) ergeben, abgebaut – nicht völlig eingeebnet oder sogar übernivelliert - werden (redistributive Funktion).

Während der – sog. vertikale und horizontale – Finanzausgleich im weiteren Sinne zwischen dem Bund und den Ländern (ab 1995 auch den neuen Bundesländern) im Übrigen nach seiner ab 2020 greifenden Reform unter noch stärkerer Einbeziehung der Steuerkraft der Kommunen erfolgt (sog. Bund-Länder-Finanzausgleich), vollzieht sich der Finanzausgleich im engeren Sinne zwischen dem Land und den Gemeinden sowie den Gemeindeverbänden. Gesetzliche Grundlage für das hier zu behandelnde System des rheinland-pfälzischen kommunalen Finanzausgleichs war bis zum 31. Dezember 1999 das Finanzausgleichsgesetz Rheinland-Pfalz – FAG – vom 28. Oktober 1977 (GVBI. S. 353), das mit dem 1. Januar 1978 in Kraft trat und in der Folge mehrmals (zuletzt durch das Siebte Landesgesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 4. Februar 1999 – GVBI. S. 27 –) geändert wurde. Zum 1. Januar 2000 wurde das FAG durch das Landesfinanzausgleichsgesetz - LFAG - vom 30. November 1999 (GVBL. S 415) unter Beibehaltung der bisherigen Systematik abgelöst.

Auf eine Klage des Landkreises Neuwied gegen das Land betreffend die zu geringe Höhe der Schlüsselzuweisungen für das Haushaltsjahr 2007 hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz – VGH – nach Vorlage durch das Oberverwaltungsgericht – OVG – mit Urteil vom 14.  Februar 2012 – Az.: VGH N 3/2011 – die §§ 5 bis 13 des LFAG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Landeshaushaltsgesetzes – LHG – 2007/2008 vom 19.  Dezember 2006 (GVBI. S. 421) und den Ansätzen der Finanzausgleichsmasse im Haushaltsplan für das Jahr 2007 mit Art. 49 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 bis 3 LV für unvereinbar erklärt. Dasselbe gelte für die entsprechenden Vorschriften über die Finanzausgleichsmasse und die Schlüsselzuweisungen sämtlicher Folgejahre.

Im Rahmen der erforderlichen Neuregelung wurde das Land ausdrücklich verpflichtet, einen spürbaren Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise zu leisten. Dieser spürbare Beitrag müsse jedenfalls auch in einer effektiven und deutlichen Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung bestehen. Hierbei habe sich der Gesetzgeber insbesondere an der Steigerung der Soziallasten als einer wesentlichen Ursache der kommunalen Finanzkrise zu orientieren. Zudem dürfe er nicht aus den Augen verlieren, dass die nach Art. 49 LV zu sichernde angemessene Finanzausstattung den Kommunen grundsätzlich auch die Wahrnehmung freier, nicht kreditfinanzierter Selbstverwaltungsaufgaben ermöglichen muss. Das Land treffe  auch eine Mitverantwortung für Kosten aus Aufgabenzuweisungen durch den Bund. Die Kommunen könnten zum Zwecke der Kostenerstattung nicht an den Bund verwiesen werden, zu dem sie im zweistufigen Staatsaufbau des Grundgesetzes keine unmittelbaren Finanzbeziehungen unterhalten. Vielmehr sei das Land verpflichtet, die  finanziellen Belange seiner Kommunen auf Bundesebene als eigene zu wahren und durchzusetzen. Neben diesen Vorgaben für den vertikalen Finanzausgleich ergäben sich aus Art. 49 LV aber auch Anforderungen an den horizontalen – den interkommunalen – Finanzausgleich. Der Gesetzgeber müsse bei der Verteilung der Finanzausgleichsmittel im kommunalen Raum das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung beachten. Dies verlange einen gerechten Ausgleich zwischen den unterschiedlichen finanziellen Belangen der Kommunen, auch im Landkreisbereich.

Der kommunale Finanzausgleich verfolgt im Wesentlichen folgende Ziele:

  1. Die Stärkung des Freiraums der kommunalen Selbstverwaltung durch Allgemeine Finanzzuweisungen, die als allgemeine Deckungsmittel den kommunalen Gebietskörperschaften eine finanzielle Mindestausstattung im Sinne des Artikel 49 LV gewährleisten und damit auch eigenverantwortliche Entscheidungen und politischen Handlungsspielraum ermöglichen.
  2. Die grundsätzliche Gleichstellung des Finanzbedarfs aller kommunalen Gebietskörperschaften je Einwohner, wobei besondere Belastungen einzelner kommunaler Gebietskörperschaften bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen durch spezielle Leistungsansätze und Sonderlastenausgleiche berücksichtigt werden, soweit keine spezialgesetzliche Kostenabgeltung erfolgt. Eine „Veredlung" der Einwohner nach der Gemeindegröße findet in Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund des Grundsatzes gleichwertiger Lebensbedingungen nicht statt.
  3. Die aufgabengerechte Verteilung der Mittel des Finanzausgleichs unter den Gebietskörperschaftsgruppen, damit nach Möglichkeit die Höhe der kommunalen Umlagen auf ein vertretbares Maß beschränkt bleiben kann.
  4. Die konstante Sicherung einer finanziellen Mindestausstattung der Ortsgemeinden über die Schlüsselzuweisungen A.
  5. Die Berücksichtigung der durch die örtlich unterschiedliche Wirtschaftskraft bedingten Steuerkraftunterschiede bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen und beim interkommunalen Finanzausgleich (insbesondere auch über die Finanzausgleichsumlage).
  6. Die Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlagen für die Schlüsselzuweisungen, die kommunalen Umlagen und beispielsweise die Finanzausgleichsumlage.
  7. Mit dem 2014 eingeführten und 2018 erweiterten System der Schlüsselzuweisungen C soll schließlich den hohen Belastungen der Träger der Sozial- und Jugendhilfe Rechnung getragen werden.

Bei der Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetzes vom Oktober 1977 hatte der Landtag die Landesregierung aufgefordert, vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten einen umfassenden Bericht über die Auswirkungen dieses Gesetzes zu erstatten. Diesen Bericht hat die Landesregierung im Dezember 1979 (Landtags-Drucksache 9/396) vorgelegt und durch weitere Berichte im September 1980 (Landtags-Drucksache 9/930), im November 1982 (Landtags-Drucksache 9/2572), im Januar 1985 (Landtags-Drucksache 10/1208), im November 1986 (Landtags-Drucksache 12/2810), im Januar 1988 (Landtags-Drucksache 11/764), im Dezember 1988 (Landtags-Drucksache 11/1670), im Januar 1990 (Landtags-Drucksache 11/3556) und im Januar 1996 (Landtags-Drucksache 12/3042) ergänzt. Das Landesfinanzausgleichsgesetz wurde sodann im Wesentlichen auf der Grundlage der Erkenntnisse eines Gutachtens des Münchner ifo-Instituts erarbeitet, ohne jedoch die bewährten Grundstrukturen des 1977-er FAG anzutasten. Im 2. Halbjahr 2003 wurde ein weiterer Gemeindefinanzbericht von Professor Dr. Junkernheinrich, seinerzeit Universität Trier, vorgelegt. Ferner befasst sich seit März 2001 die paritätisch mit je drei Mitgliedern der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände besetzte Finanzausgleichskommission in unregelmäßigen Abständen mit Fragen des kommunalen Finanzausgleichs. Auch die Enquete-Kommission „14/1 Kommunen“, die von Anfang 2003 bis Mitte 2005 in 20 Sitzungen tagte, hat einzelne Fragen des kommunalen Finanzausgleichs behandelt. In einem Zwischenbericht hat letztere die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die rheinland-pfälzische Landesverfassung empfohlen. Der Gesetzgeber ist dem durch die Aufnahme eines neuen Art. 49 Abs. 5 in die Landesverfassung (s. o.) gefolgt.

Durch das Dritte LG zur Änd. des LFAG v. 12. Juni 2007 ( GVBl. S. 80 ) erfolgten Anpassungen im System des kommunalen Finanzausgleichs an die neu eingeführte kommunale Doppik. Mit Wirkung zum 1. Januar 2010 brachte das Vierte Änderungsgesetz eine modifizierte Steuerung des sog. Stabilisierungsfonds und eine stärkere Gewichtung des Schulansatzes im Anschluss an die Schulstrukturreform des Landes. Das Fünfte Änderungsgesetz, das am 1. Januar 2011 in Kraft trat, führte zu leichten Umschichtungen der Schlüsselzuweisungen zugunsten der Kreisstufe (Kreisfreie Städte und Landkreise) und brachte u. a. eine progressive Gestaltung der Finanzausgleichsumlage. Das Landesgesetz zur Änderung finanzausgleichsrechtlicher Vorschriften vom 13. März 2012 legte die Grundlage für eine Drittel-Mitfinanzierung des kommunalen Entschuldungsfonds (KEF-RP) aus dem KFA in Höhe von jährlich 85 Mio. Euro zulasten der Allgemeinen Finanzzuweisungen. Ferner schloss das  Land eine Beteiligung der Kommunen an der Erhöhung der Grunderwerbsteuer um 1,5 %-Punkte der Bemessungsgrundlage, von 3,5 auf inzwischen 5,0 %-Punkte, aus.

Zur Fortentwicklung des LFAG hat das Land in 2011 eine neuerliche wissenschaftliche Begutachtung durch das ifo-Institut auf den Weg gebracht, die im Herbst 2012 vorgelegt wurde. Die Erkenntnisse sind in die Vorschläge der Enquete-Kommission 16/1 „Kommunale Finanzen“ zur Reform des Landesfinanzausgleichsgesetzes zum 1. Januar 2014 eingeflossen. Das „Landesgesetz zur Reform des kommunalen Finanzausgleichs“ vom 8. Oktober 2013 (GVBl. S. 349) sollte eine Neujustierung des Finanzausgleichssystems in Rheinland-Pfalz bringen, primär mit Blick auf die angespannte Finanzlage der kreisfreien Städte und Landkreise als Träger der Sozial- und Jugendhilfe. Im Rahmen der Neuregelung wollte das Land mit einer Erhöhung der Finanzausgleichsmasse aus dem unmittelbaren Landeshaushalt um 50 Mio. Euro den vom Verfassungsgerichtshof mit oben erwähntem Urteil vom 14. Februar 2012 geforderten zusätzlichen und spürbaren Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise leisten. Im Gegenzug müssen auch die Kommunen ihre Kräfte größtmöglich anspannen, über Einsparungen aber auch über eine Erhöhung ihrer Realsteuerhebesätze.

Wesentliches Ziel der Reform war ein deutlich verstärkter Ausgleich der Belastungen der kommunalen Soziallastenträger über eine neue Schlüsselzuweisung C (SZ C 1 und C 2). Weitere Änderungen erfolgen bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse, im Bereich des Stabilisierungsfonds, bei den Nivellierungssätzen im Rahmen der Berechnung der Schlüsselzuweisungen, beim Modus der Berechnung der Schlüsselzuweisungen A und der Höhe der Schlüsselzuweisungen B 1, beim Stationierungsansatz, für Oberzentren beim Zentrale-Orte-Ansatz, bei der Schülerbeförderung, hinsichtlich der Zuweisungen an den Bezirksverband Pfalz, bezüglich der Finanzierung des Winterdienstes im Bereich der Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen sowie im Hinblick auf Übergangsregelungen im Rahmen der Verwaltungsreform. Die geänderten Regelungen sollen ferner die Bevölkerungs- und Altersentwicklung berücksichtigen.

Gegen die Novelle des LFAG 2014 bzw. die aus dem Gesetz abgeleiteten Finanzzuweisungen des Landes wurde alsbald von mehreren Gebietskörperschaften Klage eingereicht, da der vom Verfassungsgerichtshof 2012 geforderte „spürbare“ Beitrag des Landes mit zusätzlichen Leistungen von maximal 50 Mio. Euro als nicht erreicht angesehen wurde. Über diese Klagen wurde inhaltlich bislang nicht entschieden. In einem Beschluss aus dem Jahr 2015 mahnte der Verfassungsgerichtshof an, zunächst die Ergebnisse der drei Jahre nach Inkrafttreten des LFAG anstehenden Evaluation der Novelle abzuwarten.

Hintergrund der Entscheidung war, dass in der LFAG-Novelle 2014 bereits der Auftrag an das Land aufgenommen wurde, die beschlossenen Regelungen nach dem Ablauf von drei Jahren zu evaluieren. Die Evaluation, der eine neuerliche Enquete-Kommission 16/1 „Kommunale Finanzen“ vorausgegangen war (Bericht EK 16/1 „Kommunale Finanzen“, Landtags-Drucksache 16/5250), wurde sodann im Dezember 2017 vorgelegt. Sie war zugleich Ausgangspunkt für einen Gesetzentwurf für ein Sechstes Landesgesetz zur Änderung des Landesfinanzausgleichsgesetzes, der erst im Herbst 2018 vom Landtag beschlossen und im Wesentlichen rückwirkend zum 01. Januar 2018 in Kraft getreten ist (Sechstes Landesgesetz zur Änderung des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 10. Oktober 2018, GVBl. S. 353). Herzstück ist die Einführung einer neuen Schlüsselzuweisung C 3, in die künftig 2 % der für den Finanzausgleich maßgeblichen Verstetigungssumme fließen. Die finanzielle Mindestausstattung der Ortsgemeinden über die Schlüsselzuweisungen A wurde erhöht. Erheblich angehoben wurde zudem der den kreisfreien Städten sowie kreisangehörigen Städten mit eigenem Jugendamt zustehende Betrag aus den Schlüsselzuweisungen B 1. Der Ausgleichssatz bei der Gewährung der Schlüsselzuweisung B 2 wurde von 50 % auf 60 % erhöht. Schließlich entfällt ab 1. Januar 2019 die Umlage „Fonds Deutsche Einheit“. Zur Finanzierung der neuen Schlüsselzuweisungen C 3 wurde die Verstetigungssumme nach § 5 a LFAG in 2019 um 60 Mio. Euro aus der sog. kommunalen Finanzreserve der Kommunen (Verstetigungsguthaben) aufgestockt.

Autor: Ernst Beucher, Jürgen Hesch Drucken nächstes Kapitel