Verkehrssicherungspflicht

Die Verkehrssicherungspflicht auf Friedhöfen umfasst die sichere Ausgestaltung und Unterhaltung der Wege und Bäume sowie die Verantwortlichkeit für die Gefahren, die durch nicht mehr standsichere Grabsteine entstehen können.

Die Anforderungen an die Verkehrssicherheit der Friedhofswege ergeben sich aus der Art und Verkehrsbedeutung des Friedhofes, der Verkehrsbedeutung des Weges, der Erkennbarkeit der Gefahr und der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen. Dabei kann eine vollständige Gefahrlosigkeit von Friedhofswegen nicht gewährleistet sein. Aber die Wege müssen auch auf das Sicherungsbedürfnis älterer Menschen ausgelegt werden. Es dürfen keine gefährlichen Wurzeln oder ähnliche Hindernisse in den Weg hineinragen. Abseits der Wege, insbesondere im Bereich der Zwischenräume zwischen den Gräbern, besteht allenfalls eine sehr eingeschränkte Verkehrssicherungspflicht (OLG Nürnberg, Urteil vom 24. Februar 1993, Az. 4 U 3501/92). Dies gilt auch dann, wenn damit gerechnet werden muss, dass diese Bereiche zur Grabpflege betreten werden müssen. Hier wird man aber von jedem Friedhofsbesucher verlangen können und müssen, dass er sich darauf einstellt, den unterhaltenen Weg zu verlassen und mit Unebenheiten oder sonstigen Gefahren rechnet.

Zur Verkehrssicherheit der Friedhofswege gehört auch Streupflicht. Der Verkehrssicherungspflichtige muss auf Friedhöfen im Winter zumindest die Hauptwege streuen und sicherstellen, dass den Friedhofsbesuchern ein sicherer Zugang zu den Grabstätten gewährt wird. Dagegen ist der Bereich zu den Entsorgungsbehältern nicht streupflichtig; eine Verpflichtung zu deren Benutzung besteht nicht (OLG München, 4. November 2011, Az. 1 U 3211/11).

Regelmäßige Kontrollen der Bäume auf ihre Standsicherheit sind nicht nur im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren für die Besucher, sondern auch zur Abwehr von Gefahren für die Grabstellen vorzunehmen. So kann die einen Friedhof betreibende Kommune wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verantwortlich gemacht werden, wenn umstürzende Bäume Grabsteine oder sonstige Einrichtungen beschädigen. Daher müssen regelmäßige Sichtkontrollen durchgeführt werden. Sofern sich Anhaltspunkte für eine Gefahr ergeben, z. B. dürre oder morsche Äste oder nicht mehr standfeste Bäume, muss diese unverzüglich beseitigt werden. Darüber hinaus müssen nach starken Stürmen oder Unwettern zusätzliche Kontrollen stattfinden.

Für Grabschändungen durch Dritte kann eine Gemeinde in der Regel nicht verantwortlich gemacht werden. Es kann nicht verlangt werden, dass etwa Friedhöfe ständig dahingehend überwacht werden, ob Dritte dessen Einrichtungen beschädigen. Auch eine Pflicht, Friedhöfe nachts zu verschließen oder zu umzäunen, besteht grundsätzlich nicht. Nach Auffassung des Landgerichts Amberg (Urteil vom 29. Juli 1992, Az. 24 O 518/92) ist das Verschließen des Friedhofes auch kein geeignetes Mittel, Dritte zuverlässig davon abzuhalten, in diesen einzudringen.

Von großer praktischer Bedeutung sind Verletzungen von Friedhofsbesuchern durch umstürzende Grabsteine:

Die Verantwortlichkeit für Gefahren von nicht mehr sicher aufgestellten Grabsteinen obliegt zunächst dem Grabnutzungsberechtigten. Er ist in der Regel nach den Friedhofssatzungen auch verpflichtet, die Standsicherheit zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass Gefahren beseitigt werden. Jedoch obliegt dem Friedhofsbetreiber eine Überwachungspflicht dahingehend, dass die Grabnutzungsberechtigten ihren Pflichten auch nachkommen.

Diese Überwachungspflicht ist grundsätzlich privatrechtlicher Natur, auch wenn das Benutzungsverhältnis durch die Friedhofssatzung öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund eines Landesgesetzes nicht nur die Nutzung des Friedhofes, sondern ausdrücklich auch die Verkehrssicherungspflicht als Amtspflicht wahrzunehmen ist (z. B. in Baden-Württemberg nach § 7 BestG). Soweit dies der Fall ist, kann die für den Friedhof verantwortliche Kommune den Geschädigten nicht nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Grabnutzungsberechtigten als anderweitige Ersatzmöglichkeit verweisen.

Auch insoweit gilt der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung, wonach das Verweisungsprivileg dann ausgeschlossen ist, wenn die verletzte Amtspflicht mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht deckungsgleich ist (vgl. OLG Stuttgart, VersR 1992, S. 1229).

Die Überprüfung der Standsicherheit der Grabsteine ist mindestens einmal jährlich durch sog. Druckproben durchzuführen (OLG Stuttgart, VersR 1992, S. 1229 m. w. N.; Landgericht Freiburg, VersR 1997, S. 504). D. h., dass – in der Regel durch geeignetes Gerät – zu überprüfen ist, ob der Stein noch sicher steht oder ob alsbald mit einem Umstürzen zu rechnen ist. Dies ergibt sich aus der Unfallverhütungsvorschrift „Friedhöfe und Krematorien“ der Gartenbau-Berufsgenossenschaft (VSG 4.7.) Einzelheiten dazu ergeben sich aus der TA-Grabmal oder alternativ aus der „Richtlinie für die Erstellung und Prüfung von Grabmalanlagen“ des Bundesinnungsverbandes des Deutschen Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks.

Ergibt sich hierbei, dass eine unmittelbare Gefahr besteht, muss sofort gehandelt werden, indem der Grabstein entfernt oder gesichert wird. Besteht keine unmittelbare Gefahr, ist aber damit zu rechnen, dass in näherer Zukunft die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet sein wird, ist der Grabnutzungsberechtigte zu informieren und zur Abstellung der Gefahr aufzufordern. Dies geschieht am zweckmäßigsten durch auffällige Anbringung eines entsprechenden Aufklebers am Stein. Allerdings darf sich die Kommune nicht allein auf die Warnung beschränken, sie hat vielmehr auch zu kontrollieren, ob der Verpflichtete von ihr Kenntnis genommen und entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung getroffen hat. Kommt der Verantwortliche seinen Pflichten nicht nach, so muss die Kommune selbst die Gefahrenstelle beseitigen. Die hierfür erforderlichen Aufwendungen kann sie, falls die Friedhofssatzung einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch insoweit nicht vorsieht, von dem Grabnutzungsberechtigten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen.

Ähnliches gilt, wenn die Grabnutzungszeit abgelaufen ist und der ursprünglich Berechtigte trotz Aufforderung den Grabstein nicht beseitigt.

In größeren Gemeinden mit mehreren Friedhöfen sollten die zuständigen Dienststellen einen Organisationsplan aufstellen, der sämtliche Anlagen der Gemeinde erfasst und verbindlich regelt, welche Ämter und Personen für die Unterhaltung und die Überwachung der Verkehrssicherheit verantwortlich sind. Es stellt ein Organisationsverschulden dar, wenn erforderliche Sicherungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden konnten, weil die Zuständigkeiten nicht klar geregelt waren. Zusätzlich sollten Dienstanweisungen für jedes Aufgabengebiet deutlich regeln, welche Kontrollen in welchen Abständen vorgenommen werden müssen. Die Durchführung der Kontrollen muss unter Angabe der genauen Zeiten in einem Kontrollbuch zu Beweiszwecken festgehalten werden.

Autor: Christine Reis Drucken voriges Kapitel