Fazit

Obwohl vonseiten der kommunalen Spitzenverbände gefordert, hat es nie einen „ganzheitlichen“ Ansatz einer Reform gegeben.

Auch die zweite Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform wird den Webfehler des ganzen Reformvorhabens nicht beheben können. Mit dem Ansatz, in der ersten Stufe lediglich die Ebene der Verbandsgemeinden in den Blick zu nehmen und letztlich nur Gebietsreformen umzusetzen, wurde die Chance auf eine – dann womöglich sinnvolle – Reform aus einem Guss vertan. Der zweite Schritt wurde vor dem ersten gemacht.

Das Vorhaben, die Kommunal- und Verwaltungsstrukturen zukunftsfest zu machen, wird nur mit einem planerischen Gesamtkonzept mit klaren Leitlinien, welches alle Ebenen – die Ministerien und Landesbehörden, Kreise, Städte, Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden – hinreichend berücksichtigt, gelingen. Nur wenn erkennbar ist, wo die Reise letztendlich hingehen soll, werden die Menschen vor Ort bereit sein, auf ihre anerkannte und bewährte Verwaltung vor Ort zu verzichten und sich neuen Strukturen öffnen.

Die bisherigen Erfahrungen der ersten Stufe haben gezeigt: Größer ist nicht immer automatisch besser und billiger. Einspareffekte lassen sich allenfalls langfristig erzielen. Zunächst kosten Fusionen erst einmal viel Geld. Auch darf man nicht vergessen: Es kann nicht nur ums Geld gehen, sondern darum, dass gute Verwaltungsleistungen für die Bürgerinnen und Bürger angeboten werden.

Soweit die Landesregierung die Reform mit angeblichen Fusionsgewinnen begründet – im Rahmen der Stufe I ist nach dem Grundsätzegesetz mit Fusionsgewinnen in Höhe von bis zu 20 Prozent zu rechnen – erscheint die Tragfähigkeit dieser These angesichts neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen (vgl. Rösel, „Sparen Gebietsreformen Geld? – ein Überblick über aktuelle Studien 1“, in: Rundbrief „ifo Dresden berichtet“ 4/2016) in hohem Maße fragwürdig. Erste verfassungsrechtliche Bewertungen folgern hieraus, dass dem Gesetzgeber ein Festhalten an seiner bisherigen Prognose allenfalls dann zugestanden werden könne, wenn er sich ernsthaft um eine Evaluation der tatsächlichen kostenrechtlichen Folgen seiner bis 2014 durchgeführten Neugliederungsmaßnahmen bemüht, was bislang nicht erfolgt ist (Dietlein in: „Zur Frage einer passiven Fusionspflicht der Verbandsgemeinde Linz im Rahmen der Neugliederungsdiskussionen um die Verbandsgemeinde Bad Hönningen“, Rechtsgutachterliche Stellungnahme vom 15. Dezember 2018, S. 16 f.).

Unabdingbare Voraussetzung für die neuen Strukturen ist aber auch eine flächendeckende Versorgung der Kommunen mit einer schnellen Breitbandverbindung, um Verwaltungsleistungen über E-Government-Lösungen anbieten zu können. Wir können nicht die Verwaltungsstrukturen vor Ort immer weiter ausdünnen, ohne den Menschen Alternativen anzubieten. Als bürgernächste Ebene haben die Verbandsgemeinden, Städte und Gemeinden hier einen besonderen Auftrag. Die Gebietsreform darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss immer die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellen. Es sollten daher in der zweiten Stufe insbesondere die Auswirkungen der Digitalisierung stärker berücksichtigt werden. Die digitalisierte Verwaltung von morgen steht vor ganz anderen Herausforderungen, kann in vielen Bereichen besser und effektiver werden und wird sich natürlich auch auf die Strukturen auswirken.

Hinsichtlich der Untersuchung zur Zukunftsfähigkeit kleiner Ortsgemeinden sollte der Landesgesetzgeber den Appell des Gutachtens „Ein weiter so wie bisher ist die schlechteste Lösung“ ernst nehmen und anstelle von Fusionen ein Maßnahmenprogramm zur Stärkung der Ortsgemeinden auflegen. Das Gutachten lässt ausdrücklich offen, welche konkreten Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Hier muss für die Politik ihr Auftrag gelten, gleichwertige Lebensverhältnisse vor Ort zu schaffen, anstatt die Hand an die Existenz einzelner Ortsgemeinden zu legen! Das Ehrenamt ist in kleineren Gemeinden besonders aktiv. Erforderlich sind zudem Erleichterungen bei den Rahmenbedingungen. So könnte sowohl bei den Ortsgemeinden als auch bei den sie bei der Verwaltung unterstützenden Verbandsgemeinden Entlastung zum Beispiel durch Befreiung der kleinen Ortsgemeinden von den Vorgaben der Doppik erzielt werden.

Nach dem Vorliegen des Gutachtens zur Stufe II soll nunmehr ein weiteres Gutachten zur Untersuchung des Potenzials interkommunaler Kooperationen in Auftrag gegeben werden. Es ist bedauerlich, dass diese Erkenntnis nicht schon zur Stufe I der Kommunal- und Verwaltungsreform erfolgt ist. Das hätte vor Ort vielleicht so manche schmerzhafte und nicht immer sinnvolle Fusion erspart.

Autor: Dr. Karl-Heinz Frieden Drucken voriges Kapitel