Gewässerunterhaltung und -entwicklung

Leitbild für die Pflege und Entwicklung der Gewässer ist das vom Menschen unbeeinflusste Oberflächengewässer. Nun ist aber die menschliche Siedlungs-, Kultur- und Wirtschaftstätigkeit seit jeher eng an Gewässer gebunden und nutzt diese in vielfältiger Weise. Aufgabe der Gewässerpflege und -entwicklung ist es daher, die ökologischen Funktionen der Fließgewässer und die berechtigten Belange aller übrigen Landnutzungen ganz im Sinne des grundlegenden Prinzips der Nachhaltigkeit im Einklang zu halten bzw. zu bringen. Mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie wurde das Ziel des „guten ökologischen Zustands“ für die Gewässer eingeführt. Danach bemisst sich der gute Zustand nicht alleine durch die Gewässergüte, sondern umfasst gleichermaßen die Hydromorphologie, also die Ufergestaltung, den Gewässerverlauf und das Hochwasserregime (Gewässerstrukturgüte). Für künstliche und so genannte „erheblich veränderte“ oberirdische Gewässer gelten verminderte Anforderungen, da lediglich ein „gutes ökologisches Potenzial“, d. h. die unter den gegebenen Einschränkungen noch bestmögliche Qualität anzustreben ist.

Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung sind Pflichtaufgaben der kommunalen Selbstverwaltung. Gegenstand sind die natürlichen Fließgewässer zweiter Ordnung (Landkreise und kreisfreien Städte) und dritter Ordnung (kreisfreie Städte, verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden); die Unterhaltung der Gewässer erster Ordnung ist Aufgabe des Landes bzw. des Bundes (§ 35 LWG). Die Unterhaltungslast für künstliche und stehende Gewässer obliegt den Eigentümern der Gewässer- bzw. der Anliegergrundstücke, so dass insoweit die Unterhaltungslast auch bei einer Ortsgemeinde liegen kann.

Die Gewässerunterhaltung hat eine ausschließlich wasserwirtschaftliche Zweckbestimmung und umfasst daher nur Maßnahmen, die auf das Gewässer bezogen sind. Insbesondere gehören dazu Maßnahmen zur Sicherung des Wasserabflusses sowie die Sicherung und naturnahe Gestaltung der Ufer, soweit das erforderlich ist. Maßgeblich sind alleine die Anforderungen an eine naturverträgliche Unterhaltung und an die gesamtökologische Betrachtungsweise, und nicht etwa ein oberflächlicher oder rein visueller Blickwinkel. Räumungsmaßnahmen sind bei natürlichen Gewässern also nur noch durchzuführen, um auf Grund von Abflusshindernissen zu besorgende schädliche Auswirkungen auf das Ufer bzw. angrenzender Flächen zu verhindern oder einer Sohlanhebung oder Auenauflandung entgegenzuwirken.

Weiterhin verpflichtet die Gewässerunterhaltung zur Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer als Lebensraum von Tieren und Pflanzen bzw. zur Erhaltung und Entwicklung der für den Naturhaushalt und die Gewässerlandschaften günstigen Wirkungen (§ 39 WHG). Dazu können angrenzende Uferbereiche, soweit dies für die Gewässerentwicklung erforderlich ist, in Anspruch genommen und naturnah gestaltet werden. Zudem ist auf die Belange der Fischerei Rücksicht zu nehmen (§ 34 Abs. 1 LWG). Die Grundstückseigentümer haben die Maßnahmen zu dulden und nur einen Anspruch auf Ausgleich bei Nutzungsbeschränkungen. Sie können verlangen, dass der Gewässerunterhaltungspflichtige das Grundstück zum Verkehrswert erwirbt. Daneben verfügen die Wasserbehörden mit dem neuen Instrument der Gewässerrandstreifen (§ 33 LWG) nunmehr über die Möglichkeit, diffuse Stoffeinträge, z. B. aus der Landwirtschaft zu mindern bzw. abzupuffern; dieses ist aber nicht Aufgabe der kommunalen Träger, sondern der Landesbehörden.

Gewässer, die sich bereits oder noch in einem natürlichen oder naturnahen Zustand befinden, sollen in diesem erhalten bleiben; nicht naturnah ausgebaute natürliche Gewässer sollen soweit wie möglich wieder in einen naturnahen Zustand zurückgeführt werden (§ 6 Abs. 2 WHG). Die entsprechenden Anforderungen werden in den Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen für jedes Gewässer konkretisiert. Diese Instrumente wurden zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in das Wasserrecht integriert. Die Maßnahmenprogramme wurden (und werden) in enger Abstimmung mit den kommunalen Aufgabenträgern erstellt.

Die kommunalen Aufgabenträger sollen Gewässerentwicklungspläne aufstellen, um die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Entwicklung naturnaher Gewässer konzeptionell zu steuern  (§ 34 Abs. 3 LWG). Sie beinhalten eine Bestandsaufnahme und legen die Gestaltungsziele sowie die dafür erforderlichen Maßnahmen fest.

Das Land fördert Maßnahmen der Gewässerunterhaltung bzw. Gewässerentwicklung gemäß den Förderrichtlinien der Wasserwirtschaftsverwaltung im Rahmen der „Aktion Blau plus“. Die Förderung erfolgt in Form von Zuschüssen. Für Maßnahmen, die der Umsetzung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie dienen – das sind der naturnahe Ausbau, die naturnahe Unterhaltung sowie die Gewässer- und Flussgebietsentwicklung – beträgt der Fördersatz bis zu 90 %, im Übrigen 20 bis 60 %.

Keine Aufgabe der Gewässerunterhaltung ist die Erhaltung von (baulichen) Anlagen in oder am Gewässer, soweit diese keine wasserwirtschaftliche Zweckbestimmung haben.15 Zu nennen sind insbesondere Verrohrungen und ähnliche Anlagen, die ausschließlich dazu dienen, die Nutzbarkeit eines Gewässergrundstücks zu ermöglichen oder zu verbessern, sowie Brücken von Straßen und Wegen über Gewässer.  Sie sind ausschließlich von deren Eigentümern oder Betreibern zu unterhalten, und zwar in dem genehmigten Zustand (§ 32 Abs. 1 Satz 1 LWG). Hat eine solche Anlage mehrere Zweckbestimmungen, ist eine entsprechende Kostenteilung vorzunehmen.

Schließlich umfasst die Gewässerunterhaltung auch nicht die zivilrechtlichen Verpflichtungen der Eigentümer der Gewässergrundstücke, insbesondere nicht die Verkehrssicherungspflicht für den Bewuchs bzw. Bäume sowie die nachbarrechtlichen Pflichten.

Nicht selten bildet eine bauliche Anlage zugleich das Ufer eines Gewässers. Hier gelten Sonderregelungen abhängig von der Art der Anlage. Bei öffentlichen Verkehrsanlagen hat der Baulastträger sowohl die anlagebedingten Mehrkosten für die Gewässerunterhaltung zu erstatten als auch die Kosten, die dabei für zugleich für die bauliche Unterhaltung der Verkehrsanlage angefallen sind.

Bei allen übrigen Anlagen, dazu gehören neben allen privaten Anlagen auch die gemeindlichen Wirtschaftswege, ist das anders. Hier obliegt dem Inhaber der Anlage – neben ihrer baulichen Unterhaltung – auch die Gewässerunterhaltung für den Teil des Gewässers, der unmittelbar an die Anlage angrenzt (§ 32 LWG). Das gilt insbesondere für die Sicherstellung des Wasserabflusses in den Wirtschaftswegen verlegten Verrohrungen bzw. Durchlässen. Im Falle der Ortsgemeinden ist § 68 Abs. 2 GemO zu beachten. Die Anlage von Furten anstelle von Verrohrungen kann erheblich dazu beitragen, die diesbezüglichen Aufwendungen zu mindern.

Die Gewässerunterhaltungspflichtigen sind berechtigt, sich von den Eigentümern solcher Anlagen, die die Gewässerunterhaltung erschweren, die Mehrkosten für die Gewässerunterhaltung erstatten zu lassen. Gleichermaßen haben sie gegenüber den Grundstückseigentümern, die von der Gewässerunterhaltung unmittelbare geldwerte Vorteile haben, einen Erstattungsanspruch (§ 36 LWG i. V. m. § 40 WHG).

Entsteht in einem Gewässer ein Abflusshindernis (beispielsweise durch Treibgut), ist zunächst – verschuldensunabhängig – der Verursacher zu Beseitigung anzuhalten (§ 38 Abs. 3 WHG). Beseitigt der Gewässerunterhaltungspflichtige das Hindernis an seiner Stelle, kann er vom Verursacher Kostenerstattung verlangen; ist der Verursacher nicht ermittelbar, verbleiben die Kosten beim Gewässerunterhaltungspflichtigen.

Neu im LWG sind die Bestimmungen über die Ersatzvornahme (§ 39 LWG, § 32 Abs. 4 LWG). Danach gilt: Kommt ein privater Gewässerunterhaltungspflichtger bzw. Anlagenunterhaltungspflichtiger seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nach, hat der für dieses Gebiet zuständige öffentlich-rechtliche Aufgabenträger die wasserwirtschaftlich notwendigen Maßnahmen im Wege der Ersatzvornahme durchzuführen, und zwar auf Kosten des (eigentlich) Verpflichteten.


15)   Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juni 2000 - 1 A 11964/99.OVG; vgl. GStB-Nachricht 0137/2007.