Wesen und Rechtsstellung der Kreise

Der Kreis, wie er sich in der deutschen Verwaltungsgeschichte entwickelt hat, ist das Modell einer „Verwaltung im gebietskörperschaftlichen Verbund“. Der Gebietskörperschaft der kreisfreien Stadt steht die „Verwaltung im Kreisbereich“ gegenüber, wo funktionell die gleichen Aufgaben von kreisangehörigen Städten und Gemeinden sowie deren Verbandsgemeinden einerseits und dem Kreis bzw. der Kreisverwaltung als staatliche Behörde andererseits wahrgenommen werden. Diese „Verwaltung im Kreisbereich“ verbindet eine hohe Leistungs- und Verwaltungskraft mit einer umfassenden demokratischen Mitwirkungsmöglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger. Infolge seiner Überschaubarkeit, seiner Verwaltungskraft und seiner Verzahnung mit Land und Gemeinden ist der Kreis eine nahezu ideale Verwaltungseinheit, in der alle Voraussetzungen fruchtbaren konkreten Verwaltens erfüllt sind.

Der Kreis, wie in § 1 der rheinland-pfälzischen Landkreisordnung auch ausdrücklich geregelt, ist sowohl kommunale Gebietskörperschaft als auch Gemeindeverband, der im Rahmen der Verfassung und der Gesetze das Recht auf Selbstverwaltung besitzt. Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Definition des Kreises sowie der weiteren wesentlichen Bestimmungen in der Landkreisordnung kann man folgende vier Wesenszüge des Kreises bzw. der Kreisverwaltung herausarbeiten:

  1. Der Kreis ist gebietskörperschaftlicher Zusammenschluss der in seinem Gebiet lebenden Menschen, zugleich aber auch organisatorischer Verbund der ihm angehörenden Gemeinden und Städte sowie der Verbandsgemeinden.
  2. Der Kreis ist Selbstverwaltungskörperschaft; das Kreisgebiet ist jedoch zugleich Gebiet der Kreisverwaltung als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung, also der Verwaltungsbezirk der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde Kreisverwaltung.
  3. Der Hauptverwaltungsbeamte des Kreises, der Landrat, ist Organ des Kreises als Selbstverwaltungskörperschaft und gleichzeitig Leiter der Kreisverwaltung als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung.
  4. Die Kreisverwaltung hat einen Doppelcharakter; sie ist nämlich Verwaltungsbehörde der kommunalen Gebietskörperschaft Landkreis und zugleich auch untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung, also staatliche Behörde; sie ist sowohl mit kommunalem als auch – wenn auch jetzt in erheblich verringertem Umfang – mit staatlichem Personal ausgestattet; sie hat kommunale und staatliche Aufgaben wahrzunehmen.

Die enge Verzahnung zwischen dem Kreis und den kreisangehörigen Gemeinden wird nicht nur durch die Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion des Kreises (siehe § 2 LKO) deutlich, sondern auch durch eine unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Kompetenz-Kompetenz, wonach gemeindliche Aufgaben, die über den örtlichen Rahmen oder die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden hinausgehen, in dringendem öffentlichen Interesse vom Kreis übernommen werden dürfen; die enge Verzahnung wird aber auch durch die Kreisumlage deutlich, eine subsidiäre, aber quantitativ sehr bedeutsame Einnahmequelle der Kreise, die von den Ortsgemeinden, Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden sowie den großen kreisangehörigen Städten erhoben wird und gleichzeitig auch ein bedeutsames Instrument im Rahmen der Ausgleichsfunktion des Kreises ist.

Autor: Harald Pitzer Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel