Die Entwicklung der Landkreisordnung Rheinland-Pfalz

Am 1. August 1998 jährte sich zum fünfzigsten Mal der Tag des Inkrafttretens der Landkreisordnung des Landes Rheinland-Pfalz. Dieses Jubiläum lag zeitlich nahe bei der 1997 erfolgten Fünfzig-Jahr-Feier des Landes Rheinland-Pfalz.

Die „Kreisordnung“, wie diese im Jahre 1948 hieß, war ursprünglich unselbstständiger Teil (Teil C) des „Selbstverwaltungsgesetzes für Rheinland-Pfalz“, das in einem Teil A die Gemeindeordnung enthielt, in einem Teil B die Amtsordnung und eben in einem Teil C die Kreisordnung.

Das Selbstverwaltungsgesetz von 1948 – und damit auch die Kreisordnung – wurden in den folgenden Jahren wiederholt geändert. Größere Novellierungen, die mit der Neubekanntmachung des Gesetzestextes abschlossen, erfolgten 1954 und 1964. Diese ließen aber die Grundstruktur der Kreisordnung unberührt. In der Regel ging es um gesetzestechnische Verbesserungen, die die Berücksichtigung praktischer Erfahrungen und die Anpassung des Kommunalrechts an die Rechtsentwicklung auf anderen Gebieten und in anderen Ländern mit sich brachten.

Eine weit größere Novellierung der Landkreisordnung fand dann im Jahre 1973 statt. Diese neue Landkreisordnung für Rheinland-Pfalz ging nach Inhalt und Bedeutung über eine bloße Novelle weit hinaus. Hier wurden durch neue Vorschriften und Rechtsinstitute Folgerungen aus den Erfahrungen mit der Gebiets- und Funktionalreform gezogen. Erstmals in der Geschichte des rheinland-pfälzischen kreiskommunalen Verfassungsrechts wurde damals die Landkreisordnung als in sich geschlossene Regelung, als sog. „Vollgesetz“, beschlossen, das weitgehend Abstand nahm von Verweisungen auf die Gemeindeordnung. Diese Neuregelung, die der gewandelten Bedeutung des Kreises als Gebietskörperschaft entspricht, lag auch besonders im Interesse der zahlreichen in den Kreisen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern, die sich nunmehr über das gesamte Kreisverfassungsrecht und die damit zusammenhängenden Fragen anhand eines einzigen, übersichtlich gegliederten Gesetzes unterrichten können.

Weitere Schwerpunkte der im Jahre 1973 konzipierten neuen Landkreisordnung waren die Intensivierung der Kommunikation der Verwaltung mit dem Bürger und die Bestimmungen, die das Verhältnis des Bürgers zum Landkreis verbessern sollen; Ausfluss dieser Grundüberlegung ist eine Informationspflicht der Verwaltung und die laufende Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger über Angelegenheiten aus dem Bereich der Kommunalverwaltung, was auch einen weiteren Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit der Kreise mit sich gebracht hat. Die Stellung des Hauptorgans (nach der LKO von 1973) des Landkreises, nämlich des Kreistags, dem die primäre Zuständigkeitsvermutung für alle Selbstverwaltungsangelegenheiten des Kreises zukommt, wurde substanziell durch einen umfassenden Katalog nicht übertragbarer Aufgaben und institutionell durch den Wegfall der Organstellung des Kreisausschusses gestärkt. Seitdem gibt es formell nur noch zwei Organe der Gebietskörperschaft Landkreis, nämlich den Kreistag und den Landrat. Auch die Zahl der gewählten Kreistagsmitglieder wurde entsprechend dem im Zuge der Verwaltungsreform geänderten Größenzuschnitt der Kreise angemessen erhöht. Der Kreistag konnte – wie auch heute – für bestimmte Aufgabenbereiche zur Vorbereitung seiner Beschlüsse oder zur abschließenden Entscheidung Ausschüsse, früher als „Kreiskommissionen“ bezeichnet, bilden; diese setzten sich entweder nur aus Kreistagsmitgliedern oder aus Kreistagsmitgliedern und „sonstigen wählbaren Kreiseinwohnern“ zusammen.

Eine nach außen sehr auffallende Änderung ist damals auch dadurch eingetreten, dass der Begriff „Landratsamt“ durch die Bezeichnung „Kreisverwaltung“ ersetzt wurde. Hinsichtlich der Stellung des Landrates erfolgte eine Ergänzung dahingehend, dass dieser damals als staatlicher Beamter nur mit Zustimmung des Kreistags abberufen werden konnte; ebenfalls bemerkenswert war zudem die Wiedereinführung der Anhörungsverpflichtung des Kreisausschusses vor der kommissarischen Bestellung des Landrates.

Zur Reform der Führungsspitze der Kreisverwaltung wurde seinerzeit das in der Praxis schon weitgehend angewendete Dezernentensystem gesetzlich eingeführt.

Neu eingeführt wurde damals auch eine Bestimmung, wonach der Landrat bei Bedarf bzw. in regelmäßigen Abständen Besprechungen mit den Bürgermeistern abhalten soll.

Die Landkreisordnung sieht seit dieser Zeit erstmals gesetzlich festgeschrieben auch ein Beteiligungsrecht des Landkreistages, des kommunalen Spitzenverbandes der rheinland-pfälzischen Kreise, vor, wonach entsprechend der bisherigen praktischen Übung Entwürfe von Rechtsvorschriften und allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die wichtige Belange der Selbstverwaltung der Landkreise berühren, rechtzeitig in geeigneter Form mit dem Landkreistag zu erörtern sind.

Diese sehr umfassende Novellierung der Landkreisordnung ist im Rahmen der sog. „technischen Novelle“ im Jahre 1978 durch verschiedene Klarstellungen und auch materiell-rechtliche Änderungen ergänzt worden, die jedoch – wie schon der Name „technische Novelle“ zum Ausdruck bringt – nicht die Grundlage der Kommunalverfassung im Kreis tangierten.

Eine Änderung der kreiskommunalen Verfassung brachte jedoch das Urteil des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs vom 1. Juni 1982, mit dem seinerzeit das Stimmrecht des Landrates in Kreistag und Kreisausschuss aus verfassungsrechtlichen Gründen beseitigt wurde, nachdem dieses Stimmrecht erst durch die Novelle im Jahre 1973 eingeführt worden war. Mit einem entsprechenden Änderungsgesetz wurden dann die gesetzgeberischen Konsequenzen aus diesem Urteil gezogen und der Landrat damals gleichzeitig zum staatlichen Beamten auf Zeit mit einer Amtszeit von zehn Jahren bestimmt.

Eine grundlegendere Novellierung erfuhr die Landkreisordnung durch das Änderungsgesetz vom 7. Dezember 1990, das am 15. Dezember 1990 in Kraft getreten ist. Schwerpunkt der damaligen Änderung war die Kommunalisierung des Landrates. Um diese Kommunalisierung des Landrates zu ermöglichen, war zudem durch ein Gesetz zur Änderung der Landesverfassung vom 6. Februar 1990 Art. 50 Abs. 2 der Landesverfassung (LV) dahingehend geändert worden, dass neu zu bestellende Landräte nicht mehr vom Ministerpräsidenten ernannt, sondern vom Kreistag gewählt wurden; gleichzeitig war mit diesem Änderungsgesetz eine Übergangsbestimmung (Art. 143 c LV) in die Verfassung zur Überleitung vom staatlichen zum kommunalen Landrat aufgenommen worden.

Die Kommunalisierung des Landrates bedeutet eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in den Kreisen. Die Eckpunkte der zusammen mit der Schaffung des kommunalen Landrates erfolgten weiteren Änderung der Landkreisordnung waren damals u. a. auch die Neuorganisation der Führungsebene der Kreisverwaltung unterhalb des Landrates mit der Schaffung von – auch hauptamtlichen – Kreisbeigeordneten, die Einführung eines Kreisvorstandes, die Einführung der sog. „leitenden staatlichen Beamten" (Dezernenten), die Änderung der Regelung über den Kreisausschuss, der zwar als Pflichtausschuss erhalten blieb, dessen Aufgaben und dessen Mitgliederzahl jedoch durch den Kreistag in der Hauptsatzung bestimmt werden, sowie verschiedene Übergangsregelungen, insbesondere hinsichtlich der Überleitung der im Amt befindlichen Landräte, der Wahl der neuen Kreisbeigeordneten und zur Frage der Kostenabgeltung zwischen Land und Landkreisen.

Zahlreiche und zum Teil wesentliche Änderungen hat die Landkreisordnung durch das Landesgesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 5. Oktober 1993 erfahren, das in seinen Schwerpunktbereichen mit dem Tag der Kommunalwahlen vom 12. Juni 1994 in Kraft trat. Vorausgegangen war das 31. Landesgesetz zur Änderung der rheinland-pfälzischen Verfassung vom 24. September 1993, womit die Urwahl der Landräte in Rheinland-Pfalz ermöglicht wurde.

Durch die vorgenannte sehr umfangreiche Fortentwicklung des rheinland-pfälzischen Kommunalverfassungsrechtes wurde in der Landkreisordnung die Urwahl der Landräte eingeführt, deren Wahlzeit acht Jahre beträgt. Die Abwahl der Landräte erfolgt ebenfalls durch die Bürger. Plebiszitäre Elemente wurden durch die Regelungen über eine verstärkte Bürgerbeteiligung außerhalb von Wahlen in das Gesetz eingefügt, wie die Einführung einer Fragestunde, die Schaffung eines kommunalen „Petitionsausschusses“ sowie Bestimmungen über den „Einwohnerantrag, das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid“.

Ein weiterer Schwerpunkt der vorgenannten Novellierung der Landkreisordnung betraf die sog. innere Kommunalverfassung, die das Verhältnis der Organe der Kreise zueinander regelt, wodurch eine neue Austarierung dieses Verhältnisses erfolgte, und zwar im Blick auf die Urwahl des Landrates. Der Landrat führt demnach den Vorsitz im Kreistag mit Stimmrecht auch dann, wenn er nicht selbst gewähltes Kreistagsmitglied ist. Alle Kreise haben einen Kreisvorstand, da nach der Landkreisordnung alle Kreise mindestens zwei Beigeordnete haben. Hinsichtlich der Stellung der Kreistagsmitglieder brachte die Landkreisordnung damals eine Reihe von Änderungen, beispielsweise einen besonderen Kündigungsschutz für Bewerber um ein Ehrenamt, ein erweitertes und umfangreicheres Informationsrecht der Kreistagsmitglieder sowie darüber hinaus eine Erleichterung hinsichtlich deren Unterrichtungsrecht und ein umfang-reicheres Akteneinsichtsrecht. Die Kreistagsfraktionen erhielten eine gesetzliche Grundlage, wobei diese mindestens aus zwei Mitgliedern bestehen müssen. Der Landesgesetzgeber hat bei dieser Novellierung der Landkreisordnung im Ergebnis die Kreisverwaltung als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung (staatliche Behörde) erhalten; allerdings ist der Umfang der Aufgaben derselben entscheidend reduziert worden, und zwar im Wesentlichen auf die Aufgaben der Kommunalaufsicht und der Rechnungsprüfung; während fast alle übrigen früheren staatlichen Aufgaben zu Auftragsangelegenheiten wurden. Die Kreise haben nur noch einen einzigen leitenden staatlichen Beamten im Einvernehmen mit dem Landrat vom Innenminister bestellt –, während das staatliche Personal bei den Kreisverwaltungen nach den Übergangsbestimmungen des Gesetzes zum 1. Januar 1995 kommunalisiert wurde. Das Land kann allerdings im Einvernehmen mit dem Landrat außer dem leitenden staatlichen Beamten weitere staatliche Beamte und Angestellte der Kreisverwaltung zuweisen.

Bemerkenswert ist auch, dass bei den Kreisen Gleichstellungsstellen eingerichtet und hauptamtlich besetzt werden müssen. Außerdem müssen Kreise, in denen mehr als 5.000 ausländische Einwohner ihre Hauptwohnung haben, einen Ausländerbeirat einrichten, der für die Wahlen 2008 zu einem Beirat für Migration und Integration fortentwickelt wurde.

Mit einer weiteren Novelle zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom April 1998 wurde auch die Landkreisordnung in verschiedenen Punkten fortentwickelt: So wurde eine Regelung aufgenommen, wonach der Kreis bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen soll, und hierzu über die bereits gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Einwohner hinaus geeignete Verfahren entwickeln und durchführen soll. Mit dieser Vorschrift korrespondiert dann die Einfügung einer Regelung, wonach die Kreise fakultativ aufgrund einer Satzung eine Jugendvertretung einrichten können. Der Landrat hat auf Antrag der Jugendvertretung dem Kreistag Selbstverwaltungsangelegenheiten, die unmittelbar die Aufgaben der Jugendvertretung berühren, zur Beratung und Entscheidung vorzulegen. Weiterhin wurde eine Regelung in die Landkreisordnung aufgenommen, wonach die Hauptsatzung des Kreises bestimmen kann, dass der Kreistag einen Ältestenrat bildet, der den Landrat insbesondere in Fragen der Tagesordnung und des Ablaufs der Sitzungen des Kreistags berät.

Autor: Harald Pitzer Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel