Die Auflösung von Ortsbezirken

Vorhandene Ortsbezirke dürfen nur zum Ende einer Wahlzeit des Gemeinderates verändert oder aufgelöst werden (§ 74 Abs. 1 Satz 4 GemO). Diese Einschränkung der Befugnisse des Gemeinderates dient sowohl dem Schutz der durch Wahl legitimierten Ehrenämter der Ortbeiratsmitglieder und des Ortsvorstehers als auch dem Schutz der Funktion dieser Organe.

Auch die Änderung oder Aufhebung eines Ortsbezirks bedarf einer entsprechenden Regelung in der Hauptsatzung.

Gleichwohl hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14. November 1999 - 7 C 10881/99.OVG) die Befugnisse des Gemeinderates als Satzungsgeber bei der Ausübung seines Ermessens in den sog. „Eingemeindungsfällen“ stark eingeschränkt.

In dem entschiedenen Fall handelte es sich um einen Ortsbezirk, der aufgrund gesetzlicher Regelung zu bilden war, als eine ehemals selbstständige Gemeinde in eine Stadt eingemeindet wurde. In derartigen „Eingemeindungsfällen“ hat die Frage der Zulässigkeit einer Auflösung des Ortsbezirks nach Auffassung des Gerichts anhand erheblich strengerer Kriterien zu erfolgen als in sonstigen Fällen. Nach dem Willen des Gesetzgebers der Verwaltungsreform seien die Ortsbeiräte in den ehemals selbstständigen Gemeinden als bleibendes Strukturelement zur Sicherung eines gewissen eigenständigen Gemeinschaftslebens in den ehemals selbstständigen Gemeinden vorgesehen worden. Allerdings sei diesen Ortsbezirken bzw. Ortsbeiräten damit keine Ewigkeitsgarantie eingeräumt worden. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen bereits die der Eingemeindung zugrunde liegenden Motive – die sog. Stadt – Umland – Problematik – darauf hindeuten konnten, dass wegen der zunehmenden Verflechtungen zwischen Kernstadt und Vorort das Gefühl eines selbstständigen Gemeinschaftslebens in absehbarer Zeit zum Erliegen kommen werde.

Dies hat für Fälle, in denen die Auflösung eines derartigen Ortsbezirks gegen den Willen des betreffenden Ortsbeirats erfolgen soll, zur Voraussetzung, dass der Stadtrat bei seiner Abwägungsentscheidung unter Zugrundelegung der o. g. Kriterien zu dem Ergebnis kommt, dass die Beibehaltung des betreffenden Ortsbezirks nicht mehr zur Förderung des örtlichen Gemeinschaftsleben sinnvoll ist, weil durch den zunehmenden Zeitablauf und die fortgeschrittene Entwicklung die im Zeitpunkt der Verwaltungsneugliederung vorgefundenen strukturellen Verhältnisse im Verhältnis der ehemals selbstständigen Gemeinschaft zu der aufnehmenden Gemeinde nicht mehr bestehen. Dies sei etwa in den Fällen denkbar, wenn die Eingemeindung im sog. Stadt – Umland – Modell erfolgte und aufgrund der besonderen Verhältnisse im Stadt – Umland – Gebiet mit einem siedlungsstrukturellen „Aufgehen“ der ehemals selbstständigen Gemeinschaft zu rechnen war. Entscheidend sei, ob nach wie vor eine engere kommunale Gemeinschaft in dem Gebiet der ehemals selbstständigen Gemeinde auszumachen sei. Dabei könne indizielle Bedeutung neben den siedlungsstrukturellen Voraussetzungen auch dem örtlichen Gemeinschafts- und Vereinsleben sowie der Bevölkerungsentwicklung wie auch der gesellschaftlichen Entwicklung zukommen.

Das OVG stützt seine Entscheidung mithin ganz entscheidend auf das nach seiner Auffassung über die Eingemeindung hinauswirkende Selbstverwaltungsrecht der ehemals selbstständigen Gemeinde.

Keine nähere Auseinandersetzung erfolgt in dem Urteil mit der Frage, inwieweit dieses fortwirkende Selbstverwaltungsrecht nach einem Zeitablauf von über 30 Jahren seit der Eingemeindung dem Selbstverwaltungsrecht der aufnehmenden Kommune vorrangig sein kann, ohne dass eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Gesamtkommune vorliegt.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass dem Ortsbeirat bei Fragen der Auflösung im Wege eines Normenkontrollverfahrens gem. § 47 VwGO beteiligungsfähig ist. Dies gilt auch nach seiner Auflösung. Wäre dies nicht der Fall, könnte niemand mehr die Interessen des Ortsbeirates vertreten.

Autor: Fabian Kirsch Drucken voriges Kapitel