Strafrechtliche Verantwortlichkeit

Ratsmitglieder sind für ihre Handlungen in Ausübung des Ratsmandats strafrechtlich verantwortlich. Das Recht der Indemnität, d. h. die strafrechtliche Verantwortungsfreiheit in Bezug auf das Abstimmungsverhalten oder Äußerungen im Plenum oder den Ausschüssen, wie dies zur Sicherung des parlamentarischen Mandats in Art. 46 Abs. 1 GG bzw. Art. 93 LV verankert ist, steht den Ratsmitgliedern nicht zu. Die Straftat kann in einem Handeln, aber auch einem Unterlassen begründet sein. Strafrechtliche Verantwortlichkeit durch Unterlassung setzt voraus, dass eine Rechtspflicht zum Tätigwerden, d. h. eine sog. Garantenstellung, besteht.

Straftatbestände ergeben sich aus dem Strafgesetzbuch, aber auch aus sondergesetzlichen Vorschriften des Strafrechts. Strafrechtlich relevant ist die Mitwirkung an einer Entscheidung des Gemeinderats, die die Tatbestandsvoraussetzungen einer Straftat erfüllt. Aber auch aus dem individuellen Verhalten des Ratsmitglieds im Zusammenhang mit der Ausübung des Ratsmandats, wenn dies zum Beispiel den Straftatbestand der Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung (§§ 185 ff. StGB) erfüllt, kann sich die strafrechtliche Relevanz ergeben.

Insbesondere durch die Verschärfung der Umweltschutzvorschriften (Straftaten gegen die Umwelt, §§ 324 ff. StGB) hat sich das strafrechtliche Risiko der Mandatsausübung erheblich erhöht. Den Gemeinden obliegt eine besondere Verantwortung für den Umweltschutz; eine Verletzung dieses Schutzgutes kann insoweit sogar strafverschärfend gewertet werden. Den Schwerpunkt bildet bei den Umweltdelikten eindeutig der Straftatbestand der Gewässerverunreinigung und damit die kommunale Abwasserbeseitigung. Nach § 324 StGB erfüllt nicht nur ein vorsätzliches, sondern auch ein fahrlässiges Handeln diesen Straftatbestand. Für Ratsmitglieder besteht strafrechtliche Relevanz, wenn Entscheidungen anstehen, die über die dem Bürgermeister obliegenden Geschäfte der laufenden Verwaltung hinausgehen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Gemeinderat hinsichtlich der Funktionsfähigkeit von Flüssen und Bächen oder bei einer Gefährdung der Qualität des Grundwassers nicht unverzüglich notwendige Sanierungsmaßnahmen beschließt oder den Bau von notwendigen Abwasserbeseitigungseinrichtungen (Klärwerk, Sammler, Regenrückhaltebecken usw.) verzögert. Hier besteht eine Rechtspflicht zum Tätigwerden. Das Argument fehlender finanzieller Mittel ist kein Rechtfertigungsgrund.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit kann sich auch aus dem Unterlassen von Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht, in Bezug auf die von der Gemeinde zur Benutzung durch Dritte bereitgestellten öffentlichen Sachen, ergeben. Hierzu gehören beispielsweise die Sicherung von öffentlichen Gebäuden, Spielplätzen, Schwimmbädern, Friedhöfen. Lehnt der Gemeinderat die Durchführung von Maßnahmen zur Sicherung einer Gefahrenstelle ab, können im Fall des Schadenseintritts die Ratsmitglieder strafrechtlich wegen Körperverletzung, im Todesfall wegen fahrlässiger Tötung, zur Verantwortung gezogen werden.

Von Bedeutung sind neben den Straftaten auch solche Verstöße, die Ordnungswidrigkeiten darstellen. Beschließt der Gemeinderat zum Beispiel zur Beschaffung von zusätzlichen Einnahmen aus Holzverkauf entgegen § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Landeswaldgesetzes, einen Kahlschlag im Gemeindewald durchzuführen, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.

In der Rechtsprechung wurde die Auffassung vertreten, Ratsmitglieder seien Amtsträger i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB, da sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnähmen. Daher könne sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit auch aus den sog. Amtsdelikten (Straftaten im Amt) ergeben. Hier sind in erster Linie die §§ 331 (Vorteilsannahme), 332 (Bestechlichkeit) und 353 b StGB, der die Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einen Verstoß gegen besondere Geheimhaltungsvorschriften unter Strafe stellt, zu nennen. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Kommunale Mandatsträger nähmen zwar Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Sinne der genannten Vorschrift wahr, es fehle aber aufgrund ihres freien politischen Mandats an der notwendigen Einordnung in ein Dienstverhältnis zur Gemeinde. Eine Verurteilung wegen einer Straftat im Amt ist daher bei Ratsmitgliedern auszuschließen. Die Verletzung der Schweigepflicht (siehe vorstehend unter III. 2) kann daher nur kommunalrechtlich durch die Auferlegung eines Ordnungsgelds, nicht jedoch strafrechtlich wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses, geahndet werden.

Im Hinblick auf Vorteilszuwendungen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen stellt § 108 e StGB eine abschließende Sonderregelung dar. Diese Vorschrift stellt die aktive und passive Bestechung von Parlamentsabgeordneten, aber auch von Mitgliedern der Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände unter Strafe. Strafbar sind konkrete Handlungen, die darin bestehen, für eine Wahl oder Abstimmung eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen.

Es liegt im Ermessen der Gemeinde, durch den Abschluss einer Strafrechtsschutzversicherung, die die Kosten für die frühzeitige Einschaltung eines fachkundigen Gutachters oder Sachverständigen oder die Einschaltung eines spezialisierten Anwalts übernimmt, den Ratsmitgliedern einen besonderen Schutz zur Abdeckung des strafrechtlichen Risikos der Mandatsausübung zu gewähren.

Autor: Helmut Lukas, Ralf Schmorleiz Drucken voriges Kapitel