Rechtswidriger Beschluss

Grundlegende Voraussetzung für die Aussetzung eines Beschlusses ist dessen Rechtswidrigkeit. Es ist unerheblich, ob dies aus formellen oder aus materiellen Gründen der Fall ist. Zu den formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zählen die Verbandskompetenz der Gemeinde (Aufgabe der Gemeinde, § 2 GemO) und die Organkompetenz des Gemeinderats (Aufgabe des Gemeinderats, § 32 GemO) sowie die Verfahrensvorschriften über das Zustandekommen des Beschlusses (insbesondere: Einladung [§ 34 GemO], Beschlussfähigkeit [§ 39 GemO], äußere Form der Sitzung [§ 35 Abs. 1 GemO], Ausschließungsgründe [§ 22 GemO], Form der Abstimmung [§ 40 GemO]). Gründe für die materielle Rechtswidrigkeit eines Beschlusses ergeben sich aus dessen Inhalt.

Den übrigen im Gesetz aufgeführten Fällen, nämlich Überschreitung der Befugnisse des Gemeinderats, Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, der Gemeinderat beschließt eine durch den Haushaltsplan nicht gedeckte Aufwendung oder Auszahlung, kommt keine eigenständige Bedeutung zu, sie sind lediglich besondere Erscheinungsformen eines Rechtsverstoßes. Die Prüfungskompetenz des Bürgermeisters ist von ihrem Umfang her identisch mit dem Kontrollrecht im Rahmen der Kommunalaufsicht nach den §§ 117 ff. GemO. Bürgermeister und Aufsichtsbehörde sind zu einer umfassenden Rechtskontrolle befugt.

Nicht jeder formelle Rechtsverstoß führt zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses. Dies ist nur dann der Fall, wenn es sich hierbei um die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift handelt. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Rechtsverstoß geeignet ist, sich unmittelbar auf die Entscheidung des Gemeinderats auszuwirken. Vorschriften, die den Schutz der Rechtsposition der Ratsmitglieder zum Ziel haben, sowie verfassungskonkretisierenden Vorschriften kommt ebenfalls die Bedeutung von wesentlichen Verfahrensvorschriften zu. Im Gegensatz hierzu stellen Verstöße gegen bloße Ordnungsvorschriften zwar Rechtsverstöße dar. Diese sind jedoch nicht so bedeutend, dass sie auch die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses zur Folge haben. Verstöße gegen bloße Ordnungsvorschriften berechtigen nicht zur Aussetzung.

Wird ein Ratsmitglied nicht fristgerecht zur Sitzung eingeladen und es erscheint auch nicht zur Sitzung bzw. es verzichtet nicht auf die Geltendmachung des Rechtsverstoßes, führt dieser Verstoß zur Rechtswidrigkeit aller in der Sitzung gefassten Beschlüsse, weil die Einladungsvorschriften des § 34 GemO Schutzvorschriften für Ratsmitglieder darstellen. Wird bei der Einladung eines Beigeordneten, der nicht gewähltes Ratsmitglied ist, gegen Einladungsvorschriften verstoßen, handelt es sich lediglich um die Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift, welche die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse nicht beeinträchtigt, weil der Beigeordnete nur mit beratender Stimme (§ 37 Abs. 3 GemO), d. h. ohne Stimmrecht, an der Sitzung teilnimmt (§ 50 Abs. 5 Satz 1 GemO). Wird die Tagesordnung einer öffentlichen Sitzung nicht oder nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht, hat dieser Verstoß gegen § 34 Abs. 6 GemO ebenfalls die Rechtswidrigkeit der Beschlüsse zur Folge. Eine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung gewährleistet die Sitzungsöffentlichkeit. Sie bildet die Grundlage dafür, dass Zuhörer an der Sitzung teilnehmen können. Der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit hat seine Grundlage in dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Prinzip der repräsentativen Demokratie. Im Fall einer nicht öffentlichen Sitzung stellt ein Bekanntmachungsfehler nur einen Verstoß gegen eine bloße Ordnungsvorschrift dar. Die öffentliche Bekanntmachung dient hier lediglich der allgemeinen Information der Einwohner und Bürger.

Ob ein Beschluss materiell rechtswidrig ist, weil er gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit verstößt, kann im Einzelfall eine schwer zu beurteilende Frage sein. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Auslegung bedarf. Eine Auslegung und Abwägung im Einzelfall ist der Gemeinde jedoch verwehrt, wenn der unbestimmte Rechtsbegriff eine gesetzliche Konkretisierung erfahren hat. Dies ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 GemO insbesondere für die Veräußerung und Nutzungsüberlassung von Vermögensgegenständen geschehen. Die Gemeinde darf in der Regel Vermögensgegenstände nur zum Verkehrswert veräußern. Dies gilt sinngemäß auch für die Überlassung der Nutzung solcher Gegenstände. Nur unter strengen Maßstäben darf in besonders gelagerten Fällen hiervon abgewichen werden. Solche Ausnahmetatbestände liegen zum Beispiel bei Grundstücksveräußerungen zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben und der damit verbundenen Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Förderung des Wohnungsbaus für junge Familien oder zur Förderung sozialer Einrichtungen vor.

Auch in den vergaberechtlichen Vorschriften ist eine Konkretisierung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit zu sehen.

Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit stellen die äußere Begrenzung des den Gemeinden auf der Grundlage ihres Selbstverwaltungsrechtes zukommenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums sowohl für die Leistung von Ausgaben als auch für die Erhebung von Einnahmen dar. Soweit keine die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit konkretisierenden gesetzlichen Vorschriften bestehen, steht den Gemeinden bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ein weitgehender Entscheidungsspielraum zu. Eine Maßnahme ist unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit nur dann rechtswidrig, wenn sie mit den Grundsätzen vernünftiger Wirtschaft schlechterdings unvereinbar ist. Entscheidungen des Gemeinderats orientieren sich an vielfältigen Faktoren. Von daher sind innerhalb dieses Spielraums Entscheidungen mit unterschiedlichem Inhalt denkbar, die jeweils die vorgegebenen Grenzen nicht überschreiten. Der Bürgermeister darf seine Beurteilung, welche Entscheidung wirtschaftlich vernünftig ist, nicht an die Stelle der vom Gemeinderat getroffenen Bewertung setzen. Nicht jede Ausgabe, die nicht geleistet werden muss (sog. freiwillige oder auch gestaltbare Ausgabe), ist daher eine unwirtschaftliche Ausgabe. Nicht die im Augenblick billigste Lösung, sondern die unter Einbeziehung der Folgekosten längerfristig günstigere Lösung ist die wirtschaftlichere. Für die Leistung der Ausgabe muss ein sachlich rechtfertigender Grund vorliegen, der mit der Erfüllung der der Gemeinde obliegenden Aufgaben in Verbindung steht. Bilden vernünftige wirtschaftliche Erwägungen die Grundlage für die Entscheidung, handelt der Gemeinderat rechtmäßig.

Das aus den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit abgeleitete Gebot, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, verpflichtet die Gemeinde, die ihr zustehenden Ansprüche geltend zu machen und zeitnah zu realisieren. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt dann vor, wenn auf die Geltendmachung solcher Forderungen verzichtet wird, die offensichtlich begründet sind oder deren Rechtsverfolgung jedenfalls hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Bei offenen Erfolgsaussichten kann auch ein Verzicht auf die Geltendmachung im Hinblick auf das Prozessrisiko die wirtschaftlichere Lösung sein. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit verwehren nicht von der Geltendmachung abzusehen, wenn die Forderung nachweislich dauernd nicht einziehbar ist.

Autor: Helmut Lukas, Ralf Schmorleiz Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel