Inhalt und Aufgabe der Sozialhilfe, Grundsätze

Nach § 1 SGB XII ist es Aufgabe der Sozialhilfe, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Sozialhilfe soll Leistungsberechtigten so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; hierbei müssen sie nach ihren Kräften mitwirken („Hilfe zur Selbsthilfe“).

Die Besonderheiten der Sozialhilfe im Vergleich zu den anderen sozialen Leistungen werden durch die nachfolgenden Grundsätze der Sozialhilfe unterstrichen, die auch gleichzeitig die Strukturprinzipien der Sozialhilfe ausmachen:

 a)Die Beratung, Unterstützung und Aktivierung in allen sozialen Lebensbereichen und Lebenslagen als besonderes Hilfeelement (§ 11 SGB XII) unterstreicht den Grundsatz der „Persönlichen Hilfe“.
 b)Art, Form und Maß der Sozialhilfe richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person sowie nach der Art des Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen (§ 9 Abs. 1 SGB XII). Durch diesen Individualisierungsgrundsatz wird der Unterschied zu anderen Leistungen der sozialen Sicherung erkennbar. Zum Individualisierungsgrundsatz gehört das Wunsch- und Wahlrecht, das in § 9 Abs. 2 SGB XII seinen Niederschlag gefunden hat. Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Ausfluss des Individualisierungsgrundsatzes ist auch der Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 16 SGB XII: die Sozialhilfe soll die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie festigen) sowie das Recht der freien Arztwahl im Rahmen der Hilfe bei Krankheit nach § 52 Abs. 2 SGB XII.
 c)Dem Prinzip des sozialen Rechtsstaates folgend, garantiert das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe (§ 17 SGB XII).
 d)Die Sozialhilfe ist nicht von einem förmlichen Antrag abhängig (Offizialmaxime). So bestimmt § 18 SGB XII, dass die Sozialhilfe einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen die Notlage bekannt wird. Dabei ist es unbeachtlich, durch wen oder durch welche Umstände die Notlage bekannt wird. Die nachfragende Person ist jedoch verpflichtet, die für die Gewährung der Sozialhilfe erheblichen Tatsachen anzugeben und notwendigen Auskünften durch Dritte zuzustimmen.
 e)Die Sozialhilfe tritt nur ein, wenn und soweit die eigenen Kräfte und Mittel sowie die Hilfe anderer – z. B. unterhaltspflichtiger Verwandter oder anderer Sozialleistungsträger – nicht ausreichen und alle anderen Ansprüche erschöpft oder nicht rechtzeitig durchsetzbar sind (Grundsatz der Nachrangigkeit: § 2 SGB XII).
 f)Wenn eine drohende Notlage abgewendet werden kann, soll Sozialhilfe auch vorbeugend gewährt werden; Sozialhilfe kommt auch als nachgehende Hilfe in Betracht, wenn dadurch der Hilfeerfolg nach Beseitigung einer unmittelbaren akuten Notlage gesichert werden kann (§ 15 SGB XII).
 g)Sozialhilfe kann nur zur Deckung eines individuellen und gegenwärtigen Bedarfs, der durch vorrangig einzusetzende Mittel nicht beseitigt werden kann, gewährt werden (Bedarfsdeckungsprinzip). Hieraus ist zu folgern, dass es für die Hilfeleistung nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen eine Person in eine Notlage geraten ist. Die Hilfe kann nicht für eine in der Vergangenheit liegende Notsituation gewährt werden, die der Träger der Sozialhilfe nicht kannte, da sich diese nicht mehr durch eine Leistung in der Gegenwart überwinden lässt. Dem Bedarfsdeckungsprinzip folgend kann Sozialhilfe grundsätzlich auch nicht zur Begleichung früherer Aufwendungen und Schulden des Leistungsberechtigten beansprucht werden.
Autor: Burkhard Müller Drucken nächstes Kapitel