Grundsicherung und Sozialhilfe im System der sozialen Leistungen

Das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen und sozialen Rechtsstaat; die Grundlagen des Sozialstaates und das Netz sozialer Leistungen haben ihre allgemeine und besondere Verankerung in Art. 20 und Art. 28 GG. Das soziale Leistungsrecht gliedert sich herkömmlich in drei Leistungsbereiche: Sozialversicherung – Versorgung – Ausgleich (Fürsorge). Die drei Bereiche unterscheiden sich in grundsätzlicher Hinsicht: Sozialversicherungsleistungen erhalten Versicherte nach Maßgabe ihrer Beiträge; die Leistungen der Sozialversicherung sind dazu bestimmt, den Versicherten für die am häufigsten eintretenden Bedarfsfälle, wie Krankheit, Arbeits- und Berufsunfall, Erwerbsunfähigkeit, Alter und Arbeitslosigkeit finanziell zu sichern. Versorgungsleistungen erhalten Personen, die für die Allgemeinheit besondere Opfer erbracht haben, wie Kriegsopfer, Bundeswehr-, Bundesgrenzschutz-, Zivildienst- und Impfgeschädigte sowie Opfer von Gewalttaten. Die Leistungen sind dazu bestimmt, die erlittenen Gesundheitsschäden und ihre Folgen zu beheben oder soweit wie möglich auszugleichen. Zum Gesamtsystem der sozialen Sicherung gehören auch die Grundsicherung und die Sozialhilfe als sog. Ausgleichsleistungen. Grundsicherungs- und Sozialhilfeleistungen sind im Unterschied zu den Leistungen der Sozialversicherung und den Versorgungsleistungen von keiner Vorleistung abhängig. Sie werden jedem zur Verfügung gestellt, der in eine Notlage gerät, die er aus eigener Kraft nicht beheben kann. Grundsicherung und Sozialhilfe werden in dem Umfang gewährt, der zur Behebung der eingetretenen Notlage erforderlich ist. Im System der sozialen Sicherung der Bundesrepublik Deutschland erlangte die Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz eine immer größere Bedeutung. Mit über 4 Millionen Hilfeempfängern und einem bundesweiten Aufwand von rd. 24 Mrd. € war die Sozialhilfe Ende des letzten Jahrtausends nicht mehr das „unterste Netz“ der sozialen Sicherung, sondern eine Regelsozialleistung für viele bedürftige Menschen geworden. Ursachen hierfür waren die wirtschaftliche Situation seit Anfang der 1990er-Jahre und die hierdurch bedingte hohe Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig sind die vorrangigen Sozialleistungssysteme in ihrem Leistungsumfang in den letzten Jahren eingeschränkt worden. Obwohl als fünfte Säule der Sozialversicherung ab 1. April 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung eingeführt worden ist, bleibt festzustellen, dass die Grundsicherung und die Sozialhilfe nach wie vor Garanten für ein menschenwürdiges Leben bleiben. Aufgabe der Grundsicherung und der Sozialhilfe ist es, jeweils in Notfällen einzugreifen, in denen anderen Sozialleistungsträger entweder keine oder keine ausreichenden Leistungen gewähren oder gewähren können. Ziel dieser Leistungen ist es dabei, die Empfänger der Hilfen soweit wie möglich zu befähigen, unabhängig von ihr zu leben (§ 1 Abs. 2 SGB II; § 1 SGB XII).

Mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hat der Gesetzgeber die ehemalige Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für Erwerbsfähige in das neue Leistungssystem, der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zusammengeführt. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Reformen die Weiterentwicklung der Sozialhilfe und deren Einordnung in das Sozialgesetzbuch (SGB XII) beschlossen. Beide Sozialgesetzbücher sind am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Das Gesetz über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ebenfalls Bestandteil des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch geworden.

Inhaltsverzeichnis

Autor: Burkhard Müller Drucken nächstes Kapitel