VV zu § 104 GemO

1.
Bei der Zulassung von Ausnahmen nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ist ein strenger Maßstab anzulegen. Gegen die Erteilung einer Ausnahme für die Bestellung eines Grundpfandrechts im Zusammenhang mit der Veräußerung eines kommunalen Grundstücks bestehen grundsätzlich keine Bedenken, wenn Folgendes vereinbart wurde:
1.1
Der Käufer tritt seinen Anspruch auf Auszahlung des zu sichernden Darlehens in Höhe des Kaufpreises an die Gemeinde ab und weist den Kreditgeber unwiderruflich an, den abgetretenen Darlehensvertrag unmittelbar an die Gemeinde zur Kaufpreistilgung zu zahlen.
1.2Das Grundpfandrecht darf von dem Kreditgeber nur insoweit als Sicherheit verwendet werden, als der Kreditgeber tatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung auf die Kaufpreisschuld an die Gemeinde geleistet hat. Diese Abrede ist der Gemeinde vom Kreditgeber schriftlich zu bestätigen.
1.3Die Gemeinde übernimmt keine persönliche Haftung für den abzusichernden Kredit und der Käufer trägt die Kosten der Grundpfandrechtsbestellung.
2.Ein Antrag auf Genehmigung der Übernahme einer Bürgschaft oder einer Verpflichtung aus einem Gewährvertrag bzw. aus einem einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäft ist unter eingehender Darstellung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles zu begründen. Ihm sind beizufügen die

a) Verträge,
b) Vorlagen des Bürgermeisters an den Gemeinderat,
c) Auszüge aus den Niederschriften des Gemeinderats, soweit sie sich auf das jeweilige Rechtsgeschäft beziehen.

Aus der Antragsbegründung und den Anlagen muss der Umfang des mit der Bürgschaft, dem Gewährvertrag oder dem wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäft verbundenen finanziellen Risikos zu erkennen sein.
3.Rechtsgeschäfte Dritter im Sinne des Absatzes 3 sind z. B. Kreditaufnahmen der Sanierungsträger, die nach § 160 Abs. 4 Baugesetzbuch der Zustimmung der Gemeinde bedürfen.
4.Die Übernahme von Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen oder wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäften zugunsten Dritter ist nur zulässig, wenn der Dritte anstelle der Gemeinde Aufgaben wahrnimmt. Eine Haftungsübernahme von Bürgerschaften für Unternehmen, an denen die Gemeinde nicht beteiligt ist, gehört grundsätzlich nicht zum Aufgabengebiet der Gemeinde.

Bei der Genehmigung der Übernahme einer Bürgschaft hat die Aufsichtsbehörde darauf zu achten, dass eine übermäßige und sachlich nicht erforderliche Verbürgung durch die Gemeinde unterbleibt. Soweit die Gemeinde eine Bürgschaft übernimmt, ist vorbehaltlich der Regelung in Nr. 5.2 stets anzustreben, dass eine Ausfallbürgschaft, nicht dagegen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen wird.
5.Für Rechtsgeschäfte, die von kommunalen Gebietskörperschaften zur Förderung des Wohnungsbaus eingegangen werden (Absatz 4), gilt Folgendes:
5.1Den Landkreisen, den kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten, den verbandsfreien Gemeinden und den Verbandsgemeinden wird allgemein die Genehmigung erteilt, zur zusätzlichen Sicherung der im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gewährten öffentlichen Baudarlehen für die Errichtung, den Um- und Ausbau sowie den Kauf von Eigenheimen und Eigentumswohnungen Ausfallbürgschaften zu übernehmen, sofern das Bauvorhaben im Gebiet der sich verbürgenden Gebietskörperschaft durchgeführt wird und die zu verbürgenden Beträge für das einzelne Vorhaben insgesamt 30.000 Euro nicht übersteigen.
5.2In allen sonstigen Fällen bedarf die Übernahme einer Bürgschaft der Einzelgenehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde.
5.2.1
Abweichend von Nr. 4 Abs. 2 Satz 2 kann ausnahmsweise beim Vorliegen außergewöhnlicher Umstände die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft genehmigt werden.
5.2.2Eine selbstschuldnerische Bürgschaft kann auch dann genehmigt werden, wenn und solange die dingliche Sicherstellung des öffentlichen Baudarlehens aus Gründen, die der Bauherr nicht zu vertreten hat (z. B. nicht abgeschlossenes Umlegungsverfahren), nicht möglich ist.
5.3Bürgschaften nach Nummern 5.1 und 5.2.1 dürfen grundsätzlich für Beträge übernommen werden, deren dingliche Absicherung innerhalb der im sozialen Wohnungsbau üblichen Beleihungsgrenze (soweit die Eigenleistung nicht durch bare Eigenleistung erbracht wird, in der Regel innerhalb von 80 v. H. der Gesamtkosten, beim Kauf von Altwohngebäuden innerhalb von 80 v. H. des von der Bewilligungsstelle geprüften angemessenen Kaufpreises einschließlich der Kosten notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen) nicht erreicht werden kann.
6.Erfüllt eine Bürgschaft, ein Gewährvertrag oder ein wirtschaftlich gleichkommendes Rechtsgeschäft die Merkmale einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag oder ist zweifelhaft, ob die Merkmale vorliegen, und handelt es sich nicht um eine De-minimis-Beihilfe im Sinne der sogenannten De-minimis-Verordnung, ist die beabsichtigte Sicherheitsbestellung nach Artikel 88 Abs. 3 EG-Vertrag bei der Europäischen Kommission zu notifizieren, bevor die Verpflichtung durch die Gemeinde eingegangen wird. Wird eine notifizierungspflichtige Beihilfe nicht notifiziert, besteht die Gefahr, dass diese Beihilfe zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen ist.

Es wird insbesondere auf die jeweils aktuellen Fassungen der nachfolgenden Mitteilungen bzw. Verordnungen der Kommission hingewiesen:

- Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrages auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften vom 20. Juni 2008 (Amtsblatt der Europäischen Kommission vom 20. Juni 2008, C 155/02), sogenannte "Bürgschaftsmitteilung",
- Verordnung (EU) Nr. 1407 /2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (Amtsblatt der Europäischen Kommission vom 24. Dezember 2013, L 352/1), sogenannte De-minimis-Verordnung, und die
- Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016, C 262/1).

Ein europarechtliches Genehmigungserfordernis tritt zu dem haushaltsrechtlichen Genehmigungserfordernis hinzu. Die Bürgschaft, der Gewährvertrag oder das wirtschaftlich gleichkommende Rechtsgeschäft darf nicht vor einer eventuellen Genehmigung durch die Europäische Kommission und nicht vor der haushaltsrechtlichen Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde abgeschlossen werden. Es sind auch alle Maßnahmen zu unterlassen, die einen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Sicherheitsbestellung begründen könnten.