1.2 Gemeinsame Flächennutzungsplanung
Angesichts der wachsenden Interdependenz der Lebensräume einerseits und der zunehmenden Leistungsanforderungen an die Gemeinden andererseits, unterliegen kommunale Planungsvorhaben wie beispielsweise die Ausweisung von Gewerbegebieten längerfristig einem Konzentrationstrend. Die bei der Umsetzung in Erscheinung tretenden rechtlichen und verwaltungsorganisatorischen Schwierigkeiten gemeindenachbarlicher und regionaler Planungskoordination lassen sich auf zwei Kernprobleme zurückführen, nämlich die Inkongruenz zwischen den Verwaltungsräumen einerseits und den Wirtschafts- und Siedlungsräumen andererseits sowie den Widerstreit zwischen einzelgemeindlicher Selbstverwaltungshoheit und gemeindenachbarlicher Raumverantwortung. Ungeachtet der rechtlichen Formen der gemeinsamen Bauleitplanung ist deshalb das wirksamste Instrument zur Überbrückung der Inkongruenz zwischen Lebens- und Planungsraum die Entwicklung eines über die einzelgemeindliche Gemarkung hinausgreifenden gesamträumlichen Verantwortungsgefühls der Gemeinden.
Je nach dem Grad der städtebaulichen Verflechtung sieht das Baugesetzbuch verschiedene Instrumente nachbarlicher Planungskoordination auf der Ebene der Flächennutzungsplanung vor:
Im Gesetz nicht geregelter, sog. additiver gemeinsamer Flächennutzungsplan, bei dem es sich der Sache nach um eine besonders intensive Form der nachbarlichen Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB handelt. Die aneinandergrenzenden Flächennutzungspläne entfalten keine gegenseitige Bindungswirkung. Problembewusstsein ist vor allem bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben, großflächigen Vergnügungsstätten und der Ausweisung von Industrie- oder Gewerbegebieten gefragt.
Der kraft Landesgesetz übertragene gemeinsame Flächennutzungsplan; in Rheinland-Pfalz § 203 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 67 Abs. 2 GemO – Übertragung auf die Verbandsgemeinden.
Der freiwillige, von allen Beteiligten inhaltlich übereinstimmend, im Verfahren getrennt beschlossene, gemeinsame Flächennutzungsplan nach § 204 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wobei sich dessen Bindung auf bestimmte Darstellungen oder Teilräume beschränken kann. Nach § 204 Abs. 1 Satz 3 BauGB kann der gemeinsame Flächennutzungsplan von den beteiligten Gemeinden nur gemeinsam aufgehoben, geändert oder ergänzt werden.
Öffentlich-rechtliche Vereinbarungen über bestimmte Darstellungen nach § 204 Abs. 1 Satz 4 BauGB. Diese Regelung enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Gemeinden über den Inhalt von Bauleitplänen keinen Vertrag abschließen dürfen. Um ein Abwägungsdefizit zu vermeiden, dürfen vertraglich vereinbarte Darstellungen nur in den Flächennutzungsplan aufgenommen werden, wenn sie vom zuständigen Organ beschlossen wurden und inhaltlich als Ergebnis einer sachgerechten Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB gelten können. Exemplarisch trifft dies auf den Fall zu, dass eine Gemeinde eine Entlastungsstraße ausweist und die andere Gemeinde sich verpflichtet, diese Straße fortzuführen und die Trasse in den Flächennutzungsplan aufzunehmen.
Der gemeinsame Flächennutzungsplan eines Planungsverbandes. Dies kann sich im Wege des Zusammenschlusses von öffentlichen Planungsträgern zu einem freiwilligen Planungsverband, der selbstständiger Träger der Planungshoheit ist, vollziehen, § 205 Abs. 1 BauGB. Der Planungsverband kann auch auf Antrag eines Planungsträgers, über den die Landesregierung entscheidet, zustande kommen, wenn dies zum Wohle der Allgemeinheit dringend geboten ist, § 205 Abs. 2 BauGB. Der Verband tritt nach Maßgabe einer Satzung für die Bauleitplanung und ihre Durchführung an die Stelle der Gemeinden, § 205 Abs. 1 Satz 2 BauGB, wobei Abs. 4 weiterhin die Möglichkeit eröffnet, dem Verband alle der Gemeinde nach dem Baugesetzbuch obliegenden Aufgaben zu übertragen. Für die Flächennutzungsplanung muss die Gemeinde mit dem gesamten Gebiet dem Verband beitreten, da ein Flächennutzungsplan grundsätzlich nur für das gesamte Gemeindegebiet aufgestellt werden kann; Ausnahmen dürften wegen ihrer rechtlichen Selbstständigkeit gelten für räumliche Teilflächennutzungspläne im Sinne von § 5 Abs. 2b Halbsatz 2 BauGB.
Übersicht zu Aufgaben und Bedeutung des Flächennutzungsplans:
Funktion, Zielsetzung
- Vorbereitender und umfassender gemeindlicher Entwicklungsplan für die Bodennutzung des gesamten Gemeindegebietes.
- Gemeindeeigenes Lenkungsinstrument zur städtebaulichen Entwicklung, das übergeordnete Planungen der Landes- und Regionalplanung (§ 1 Abs. 4 BauGB) umsetzen und nachfolgende Planungen der Gemeinde steuern soll.
Inhalte
Darstellung der Grundzüge der Art der Bodennutzung, u. a. sind in § 5 Abs. 2 BauGB folgende Darstellungsmöglichkeiten vorgesehen:
- die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen), nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) sowie nach dem allgemeinen Maß der baulichen Nutzung (Nr. 1),
- die Ausstattung des Gemeindegebietes mit Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereiches (Nr. 2 a) und zentralen Versorgungsbereichen (Nr. 2 d),
- die Flächen für den überörtlichen Verkehr und für die örtlichen Hauptverkehrszüge (Nr. 3),
- die Flächen für Versorgungsanlagen (Nr. 4),
- die Grünflächen (Nr. 5),
- die Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (Nr. 10).
Rechtsform, Bindungswirkung
- Plan, grundsätzlich ohne unmittelbare Rechtswirkung, behördenverbindlich, planungsbindendes Programm
- Selbstbindung der Gemeinde zur Umsetzung der Planinhalte
Träger, Mitwirkung
- Träger sind die Gemeinden
- Mitwirkung der Öffentlichkeit (§ 3 BauGB), Behörden (§ 4 BauGB)
Bezug (rechtlich) zu anderen Planungsinstrumenten
- Ziele der Raumordnung müssen beim Flächennutzungsplan beachtet und Grundsätze der Raumordnung berücksichtigt werden
- eingeschränkte Bindungswirkung der Flächennutzungsplanung für die Fachplanung
- aus dem Flächennutzungsplan als vorbereitendem Bauleitplan wird grundsätzlich der Bebauungsplan entwickelt
- nur eingeschränkte Genehmigungspflicht für Bebauungspläne, § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB