Die Eckpunkte zur Transformation des Feuerwehrwesens
Wie bereits zu Beginn des Lageberichts festgestellt, befindet sich unsere Gesellschaft in einem einschneidenden und nachhaltigen Strukturwandel, der auch vor den Feuerwehren in Stadt und Land nicht Halt macht. Die Feuerwehren, die kommunalen Aufgabenträger und deren Interessenvertretungen sowie die Landesregierung fassen diesen Transformationsprozess als Herausforderung auf und gestalten ihn gemeinsam und partnerschaftlich unter dem Motto: „Verändern um zu bewahren!“Gemeinsam wird zur Aufrechterhaltung eines qualitativ zufrieden stellenden Sicherheitsstandards im Brand- und Katastrophenschutz durch die Feuerwehren die folgende Auffassung bezüglich der Organisation des Feuerwehrwesens vertreten:
Erstens:
Um die nicht-polizeiliche Gefahrenabwehr im Brand- und Katastrophenschutz durch ein System mit überwiegend freiwillig-ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern sicherstellen zu können, sind auch in Zukunft die örtlichen Feuerwehreinheiten unverzichtbar, grundsätzlich sollte möglichst in jeder Ortsgemeinde eine Freiwillige Feuerwehr existieren, insbesondere um gerade die Selbsthilfefähigkeiten der Bevölkerung zu erhalten.
Zweitens:
Gerade bei der Bewältigung von Gefahrenlagen und Schadensereignissen kann in Rheinland-Pfalz schon seit drei Jahrzehnten das bewährte Verbundsystem der gegenseitigen Hilfe nach dem Additionsprinzip angewendet werden. Nach diesem Prinzip braucht nicht jede Feuerwehr die für jede Art und Größe von Einsätzen vollständig erforderliche Ausrüstung vorzuhalten. Benachbarte Feuerwehren ergänzen und verstärken sich vielmehr gegenseitig. Das bestehende Verbundsystem der Gefahrenabwehr ist noch stärker auszubauen.
Drittens:
Der interkommunalen Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden kommt im Feuerwehrwesen sowohl bei der Beschaffung und Bereitstellung der erforderlichen Ausrüstung als auch im Einsatz eine besondere und zunehmende Bedeutung zu.
Viertens:
Das Land hat zum Erhalt der örtlichen Feuerwehreinheiten in den vergangenen fünfzehn Jahren eine Reihe von leistungsfähigeren Einsatzfahrzeugen entwickelt und deren nationale Standardisierung durch das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN e.V.) veranlasst. In den entsprechenden Arbeitsgruppen im Normenausschuss Feuerwehrwesen (FNFW) des DIN e.V. bringen sich Mitarbeiter der rheinland-pfälzischen Feuerwehren ein.
Fünftens:
Optimierung der Führungsfähigkeit durch die Einrichtung von Integrierte Leitstellen (ILtS) für den Brandschutz, die AllgemeineHilfe, den Katastrophenschutz und den Rettungsdienst. Eine Integrierte Leitstelle (ILtS) ist eine mit Feuerwehrbeamten und Rettungsassistenten ständig besetze, ortsfeste Führungseinrichtung zur Annahme und Abfrage von Notrufen (112) und Meldungen (19222), zur Alarmierung und Nachalarmierung von Einsatzkräften der Feuerwehr, des Rettungsdienstes sowie und des Katastrophenschutzes sowie zur Führungsunterstützung. Leitstellen und Feuerwehreinsatzzentralen (FEZ) kooperieren zusammen, wobei die FEZ eine nicht ständig besetzte, rückwärtige, ortsfeste Führungseinrichtung auf Gemeindeebene ist, nur im Einsatzfall aktiviert wird und dann Aufgaben der Nachalarmierung und Führungsunterstützung übernimmt. Das Land hatte mit dem Aufbau von Integrierten Leitstellen 2001 in Trier begonnen. Es folgte im Rahmen der Mittelverfügbarkeit 2006 zur Fußballweltmeisterschaft die Leitstelle Kaiserslautern, 2007 die Leitstelle Bad Kreuznach, 2009 die Leitstelle Montabaur, 2010 die Leitstelle Landau, 2011 die Leitstelle Koblenz und 2018 die Leitstelle Ludwigshafen. Die Errichtung der Integrierten Leitstelle Mainz steht noch aus und wird voraussichtlich Anfang 2025 erfolgen. Mit der Errichtung von Integrierten Leitstellen leistet die Landesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Führungsfähigkeit. Die Notrufannahme und -abfrage, die Disposition der Einheiten und Einsatzmittel sowie die Führungsunterstützung für den Einsatzleiter an der Einsatzstelle konnten im Vergleich zur Situation in den 1990er durch einen langwierigen Prozess erheblich verbessert werden.
Sechstens:
Eine optimale Vernetzung der Sicherheitspartner im Leitstellenbereich ist für einen effektive und effiziente Einsatzvorbereitung und eine erfolgreiche Einsatzbewältigung unerlässlich. Insbesondere bei der Einsatzvorbereitung und der Erarbeitung der Alarm- und Ausrückeordnungen (AAO) für die Alarmstufen 4 und 5 sind die Rettungs- und Einsatzmittel aller kommunalen Aufgabenträger zu berücksichtigen und einzuplanen. Auch sind hier die Kräfte des THW und der Hilfsorganisationen zu beteiligen. Somit können optimale Einsatz- und Führungsstrukturen geschaffen werden, die sich insbesondere bei Großschadenlagendurch die Bereitstellung umfangreicher personeller und materieller Ressourcen bewähren.
Siebentes:
Im strukturschwachen ländlichen Raum ist das System „Feuerwehr“ den geänderten Rahmenbedingungen nachhaltig anzupassen. Zum 31. Dezember 2003 erfolgte eine Ergänzung des § 44 Abs. 8 der Landesbauordnung (LBauO) mit der Pflicht zur Installation von Rauchwarnmeldern im Wohnungsneubau. Zum 12. Juli 2007 erfolgte die Ergänzung der Landesbauordnung mit der Pflicht zur Installation von Rauchmeldern im Wohnungsbestand in einem Zeitraum von fünf Jahren. Das Schutzziel „Menschenrettung“ kann nach der Einbaupflicht von Rauchwarnmeldern im Wohnungsbau – einer revolutionären Innovation - grundsätzlich auch ohne Mitwirkung der Feuerwehr (Fremdrettung) erreicht werden! Diese rechtliche Normierung des Vorbeugenden Brandschutzes hat einen erheblichen Einfluss auf den Abwehrenden Brandschutz, insbesondere auf die Grundsätze der Einsatzvorbereitung und Einsatzplanung durch die Feuerwehr. Ein visionäres Einsatzkonzept zur Menschenrettung und Brandbekämpfung könnte auf einer stufenweisen und zeitlichen Vernetzung unterschiedlicher Fähigkeitsmerkmalen bestehen:
- Brandfrüherkennung durch Rauchwarnmelder unmittelbar nach Brandausbruch
- Selbstrettung ggf. mit Flucht- und Rettungshauben
- unverzügliche Alarmierung der Feuerwehr
- Selbst- und Nachbarschaftshilfe
- Ersteinsatz von außen ohne Atemschutz durch „Außenangriffsfeuerwehren“
- schlagkräftige Ergänzung durch „Innenangriffsfeuerwehren“, das heißt durch eine Staffel mit den Fähigkeiten zur Fremdrettung und zum Innenangriff unter Pressluftatmer.