I. Einleitung

In seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2020 (Az.: VGH N 12/19, VGH N 13/19, VGH N 14/19) hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VGH RP) die §§ 5 bis 18 des Landesfinanzausgleichsgesetzes (LFAG) vom 30. November 1999 (GVBl. S. 415) in den jeweils geltenden Fassungen für unvereinbar mit der Landesverfassung erklärt. Der VGH RP gab dem Gesetzgeber auf, bis spätestens zum 31. Dezember 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs zu treffen. Mit dem Landesgesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften (Landesfinanzausgleichsgesetz – LFAG –) vom 7. Dezember 2022 wurde der kommunale Finanzausgleich vollständig neu geregelt.

Mit dem neuen LFAG garantiert das Land seinen Kommunen nur noch eine Mindestfinanzausstattung, d. h. das Land den kommunalen Gebietskörperschaften nur die Geldmittel gewährt, die es den kommunalen Gebietskörperschaften in ihrer Gesamtheit ermöglicht, ihre pflichtigen Aufgaben (Pflichtbereich) sowie ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben (freiwilliger Bereich) wahrzunehmen. Die Aufwendungen und Auszahlungen für die Wahrnehmung der eigenen Aufgaben und der übertragenen staatlichen Aufgaben (Auftragsangelegenheiten) werden in dem in der Gemeindeordnung (GemO) und der Landkreisordnung (LKO) bestimmten Umfang von den Ortsgemeinden, Verbandsgemeinden, verbandsfreien Gemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten (kommunale Gebietskörperschaften) selbst getragen. Dennoch gilt der bisherige Ansatz, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre Aufgaben insgesamt und damit die Auftragsangelegenheiten, Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung sowie die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nur dann ordnungsgemäß erfüllen können, wenn ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen, der kommunale Haushalt ausgeglichen ist bzw. ausgeglichen werden kann.

Das Grundgesetz bietet den Kommunen einen umfassenden Schutz im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG. Hiernach muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dies gilt ebenfalls für die Landkreise, die alle auf das Kreisgebiet bezogene öffentliche Aufgaben als freie Aufgaben der Selbstverwaltung wahrnehmen können, soweit diese nicht durch Gesetz ausdrücklich anderen Stellen zugewiesen sind. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung beinhaltet auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Zur finanziellen Eigenverantwortung gehört ergänzend eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. Flankiert wird dieser verfassungsrechtliche Schutz des Grundgesetzes durch die Regelung in Art. 49 Abs. 6 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV), hiernach hat das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden auch die zur Erfüllung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Der Lastenausgleich wird in Rheinland-Pfalz nachrangig betrachtet, vordergründig finden die Regelungen im Rahmen des Finanzausgleichs statt. Außerdem muss das Land den Kommunen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung stellen.

Im Rahmen der seit dem Jahr 2004 dualistischen Modell der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen findet das in Art. 49 Abs. 5 LV geregelte strikte Konnexitätsprinzip (Wer bestellt, bezahlt) Anwendung. Überträgt das Land den Gemeinden oder Gemeindeverbänden die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder stellt es besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben, hat es gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führt die Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen. Der vom Land für – trotz Kostendeckungsregelung verbleibende – Mehrbelastungen zu leistende entsprechende finanzielle Ausgleich besteht danach in einem Vollkostenersatz sowohl der Zweckausgaben als auch der Verwaltungskosten, solange die kommunale Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung besteht (siehe LT-Drs. 14/3016 vom 19. März 2004, Seite 3). Das Landesgesetz zur Ausführung des Artikels 49 Abs. 5 LV (Konnexitätsausführungsgesetz – KonnexAG –) vom 2. März 2006 (GVBl. S. 53) konkretisiert die verfassungsrechtliche Regelung und legt bestimmte Regularien fest.

Einfachgesetzlich finden sich diese kommunalen Rechte in § 3 Abs. 1 GemO und § 2a Abs. 1 LKO wieder. Das Land sichert in diesen Vorschriften den Gemeinden und Landkreisen die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel durch das Recht zur Erhebung eigener Abgaben und durch den Finanzausgleich. Gemäß Art. 106 GG stehen den Gemeinden dabei neben der Grundsteuer und der Gewerbesteuer weitere direkte Einnahmen aus dem Aufkommen der Einkommensteuer (15 % am Aufkommen der Lohn- und der veranschlagten Einkommensteuer sowie 12 % am Aufkommen der Zinsabschlagsteuer) und dem Aufkommen der Umsatzsteuer zu. Auch das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (inkl. der Gebühren und Beiträge) steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu.

Die Bruttoeinnahmen der laufenden Rechnung der Gemeinden und Gemeindeverbände in Rheinland-Pfalz bestehen zu mehr als 50 % aus laufenden Zuweisungen und Zuschüssen vom öffentlichen Bereich insgesamt. Einen Anteil in Höhe von rd. 25 % daran haben die Finanzzuweisungen vom Land, die Teil des kommunalen Finanzausgleichs (KFA) sind. Das neue LFAG bestimmt sowohl die vertikale Finanzbeziehung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und seinen Kommunen im Rahmen einer neuen Mindestfinanzausstattung als auch die horizontale (Um-)Verteilung auf der kommunalen Ebene. Spiegelbildlich zu der finanziellen Bedeutung des KFA für die Kommunen spielt dieser auch auf Landesebene mit einem Gesamtvolumen in Höhe von rd. 3,7 Mrd. Euro im Jahr 2024 eine quantitativ bedeutende Rolle im Landeshaushalt.

Der kommunale Finanzausgleich verfolgt in seinem Ursprung folgende Ziele:

  • Im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs werden die eigenen kommunalen Einnahmen bedarfsgerecht ergänzt. Dies berücksichtigt, dass die im Bundesland zur Verfügung stehenden Mittel effizient zwischen Land und Kommunen unter Berücksichtigung der Aufgabenzuweisung verteilt werden.
  • Es erfolgt eine grundsätzliche Gleichstellung des Finanzbedarfs aller kommunalen Gebietskörperschaftsgruppen je Einwohner. Dabei werden innerhalb der jeweiligen Gebietskörperschaftsgruppe (dazu später) besondere Belastungen einzelner kommunaler Gebietskörperschaftsgruppen bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen B durch spezielle Nebenansätze berücksichtigt.
  • Eine „Veredlung“ der Einwohner nach der Gemeindegröße findet in Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund des Grundsatzes gleichwertiger Lebensbedingungen auch im neuen LFAG nicht statt.
  • Die aufgabengerechte Verteilung der Finanzausgleichsmittel erfolgt unter den fünf gebildeten Gebietskörperschaftsgruppen, damit nach Möglichkeit die Höhe der kommunalen Umlagen (im Wesentlichen die Verbandsgemeinde- und Kreisumlage) auf ein vertretbares Maß beschränkt bleiben kann.
  • Es soll die Sicherung einer Mindestfinanzausstattung der Ortsgemeinden im Rahmen der Schlüsselzuweisungen A erfolgen.
  • Im Rahmen der Schlüsselzuweisungen B erfolgt die Berücksichtigung der durch die örtlich unterschiedliche Wirtschaftskraft bedingten Steuerkraftunterschiede.
  • Beim interkommunalen Finanzausgleich, insbesondere über die Finanzausgleichsumlage, wird ein Abschöpfen abundanter Kommunen zu Gunsten finanzschwacher Kommunen erreicht.

Die Finanzausgleichsmasse bildet den kommunalen Finanztopf, aus dem die Kommunen ihre Finanzzuweisungen erhalten. Daneben erhalten die Kommunen auch außerhalb der Finanzausgleichsmasse Zuweisungen.

Autor: Horst Meffert, Jürgen Hesch Drucken nächstes Kapitel