Kommunalverfassungsstreit

Kommunalverfassungsstreitverfahren sind Streitverfahren vor den Verwaltungsgerichten zwischen den Organen oder innerhalb der Organe oder ihrer Teile. Gegenstand sind Maßnahmen, die auf der Grundlage von durch die Gemeindeordnung oder die Geschäftsordnung des Gemeinderates gegebenen Kompetenzen, Rechte und Pflichten, erfolgen. Sie betreffen die Gestaltung der inneren Organisation und Willensbildung innerhalb der Gemeinde. Gegenstand dieser Streitverfahren sind ausschließlich Innenrechtsbeziehungen. Ein subjektives öffentliches Recht des Mandats- oder Amtsinhabers selbst wird durch die innerorganschaftlichen Regelungen nicht berührt. Es handelt sich ausschließlich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die wegen einer möglichen Verletzung von kommunalverfassungsrechtlichen Rechten geführt werden, die der Klägerin oder dem Kläger aus ihrem oder seinem Mandat oder Amt zustehen, und die auf das Verhalten des Beklagten zurückzuführen sind. Sowohl auf der Klägerseite als auch auf der Beklagtenseite stehen sich Organe oder Organteile gegenüber. Es sind eine Vielzahl von Fallkonstellationen denkbar: Organ gegen Organ (z. B. Gemeinderat klagt, weil der Bürgermeister durch eine Eilentscheidung in die Kompetenz des Gemeinderates eingegriffen hat, oder der Bürgermeister klagt gegen den Gemeinderat, weil dieser ohne sachlichen Grund die Entlastung verweigert hat). Organteil gegen Organ (z. B. eine Gruppe von Ratsmitgliedern oder eine Fraktion klagt gegen den Bürgermeister, weil dieser eine Angelegenheit nicht auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt hat oder ein Ratsmitglied klagt gegen den Gemeinderat, weil dieser ihn unzulässig von der Mitwirkung wegen Ausschließungsgründen ausgeschlossen hat).

Das OVG RhPf hat diese „traditionellen“ Fälle mit seinen Entscheidungen vom 1. Dezember 1994–7 B 12954/94.OVG – und 6. Februar 1996–7 A 12861/95.OVG – in Rheinland-Pfalz um eine Variante erweitert: Beteiligte im Falle eines Streits um die Zulässigkeit eines Einwohnerantrags (§ 17 GemO RP) und eines Bürgerbegehrens (§ 17a GemO RP) seien kommunale Organe, die um die Abgrenzung innerorganschaftlicher Zuständigkeiten und Rechte, die ihre Grundlage im Kommunalverfassungsrecht haben, streiten. Das Gericht sieht sie daher als Beteiligte in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren an. In der Sache würden innerorganschaftliche Kompetenzen gegenüber einem Kontrastorgan verteidigt. Die hinter den Initiativen stehenden Initiatoren und Einwohner würden nämlich nicht als mit subjektiven Rechten des Außenrechtskreises ausgestattete Einzelne oder eine Vielzahl solcher Einzelner in Erscheinung treten, sondern selbst „als gemeindliches Quasi-Organ“ auftreten. Die Rechtsprechung anderer Bundesländer und auch das Schrifttum gehen überwiegend davon aus, dass der Entscheidung über die Zulassung eines Bürgerbegehrens Außenwirkung zukomme. Demnach handelte es sich bei der Zulassungsentscheidung um einen Verwaltungsakt, sodass die Zulassung mittels Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO zu erstreiten wäre (vgl. OVG Münster, Urt. vom 5. Februar 2002, NVwZRR 2003 S. 448 [449]; OVG Greifswald, Beschl. vom 24. Juli 1996, NVwZ 1997 S. 306 [307]).

Die Gemeinde selbst ist unmittelbar nicht am Verfahren beteiligt, trägt allerdings die Kosten für Streitverfahren, die nicht „ohne vernünftigen Anlass“, „ohne vernünftigen Grund“ oder „mutwillig“ angestrengt worden sind (VGH RP, Beschl. vom 27. Mai 2009 – B 6/09 –).

Darüber hinaus gilt der Grundsatz, dass jede öffentlich-rechtliche Körperschaft die Ausgaben zu tragen hat, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch ihre Organe ergeben (OVG RhPf, Urt. vom 19. Mai 1987–7 A 90/86 –, AS 21, S. 206). Das OVG Münster leitet den Anspruch auf Kostenerstattung aus dem eigenständigen Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ab.

Autor: Stefan Heck Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel