4. Kartellschadensersatzklage gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen Holz­vermarktung

Die ASG 3 Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH hat im Mai 2020 Klage auf Kartellschadensersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz erhoben. Konkret behauptet die Klägerin, die Preise für Nadelstammholz aus Wäldern in Rheinland-Pfalz seien im Zeitraum seit dem 28. Juni 2005 bis zur Neuorganisation der Holzvermarktung zum Jahresbeginn 2019 um durchschnittlich 9,42 % überhöht gewesen. Die gemeinsame, waldbesitzartenübergreifende (gebündelte) Rundholzvermarktung habe ein unzulässiges Vertriebskartell bzw. ein „Syndikat“ dargestellt. Daher hätten die Sägewerke höhere Preise für Nadelstammholz zahlen müssen, als dies ohne eine Bündelung der Vermarktung der Fall gewesen wäre. Die im Zentrum stehenden Klageanträge führen zu einer Schadensersatzforderung einschließlich Zinsen von rund 121 Mio. EUR.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH mit Sitz in Fürth, die durch das internationale Prozessfinanzierungsunternehmen Burford Capital Holdings (UK) Limited im Jahr 2018 eigens zum Zwecke des Erwerbs, der Bündelung und der Geltendmachung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen in der Angelegenheit gegründet worden war. Die ASG 3 hat sich die vermeintlichen Schadensersatzansprüche von Sägewerken abtreten lassen und macht diese gebündelt mit der Klage geltend. Es handelt sich um 18 Unternehmen der Sägeindustrie, von denen lediglich fünf ihren Sitz in Rheinland-Pfalz haben. Sie werden demgemäß selbst nicht prozessual tätig.

Anfang des Jahres 2022 hat das Land Rheinland-Pfalz eine Streitverkündung gegenüber den körperschaftlichen und privaten Waldbesitzenden ausgesprochen, die im Klagezeitraum im Rahmen der gebündelten Rundholzvermarktung Nadelstammholz über Landesforsten bzw. die Forstämter vermarktet hatten. Aus prozessökonomischen Gründen bezieht sich die Streitverkündung lediglich auf Waldbesitzende mit einer Waldfläche größer 100 Hektar. Es handelt sich um mehr als 1.000 Kommunen (überwiegend Ortsgemeinden) und Zweckverbände sowie um knapp 100 private Waldbesitzende.

Das Land Rheinland-Pfalz begründet die Streitverkündung mit Vorgaben der Landeshaushaltsordnung, speziell § 34 LHO. Zwar geht das Land davon aus, dass die Klage keinen Erfolg haben wird. Sollte das Land allerdings rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt werden, stellt sich im Innenverhältnis das Thema von Regressansprüchen des Landes gegenüber den anderen an einem (unterstellten) Kartell beteiligten Waldbesitzenden. Da mehrere Kartellanten als Gesamtschuldner haften, kann jeder Kartellant – wie hier das Land – auf den gesamten Kartellschaden in Anspruch genommen werden. Wird einer der Kartellanten zur Erstattung des gesamten Kartellschadens verurteilt, kann er bei den übrigen Kartellanten Regress nehmen. Das Ausmaß der Haftung der Gesamtschuldner untereinander ist wiederum in einem Folgeprozess zu bestimmen. Zwischenzeitlich könnten die ggf. bestehenden Regressansprüche aber (teilweise) verjähren.

In Folge der Streitverkündung wird der Empfänger, unabhängig von einem Streitbeitritt, an den Ausgang des Rechtsstreits gebunden und die Verjährung etwaiger Regressansprüche gehemmt. Durch die Streitverkündung selbst werden aber keine Regressansprüche erhoben. Die Streitverkündung würde sich also erst in einem möglichen Folgeprozess auswirken, wenn das Land rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt worden wäre.

Die Kommunalen Spitzenverbände bezeichneten die Streitverkündung seitens des Landes in großer Deutlichkeit als politisch falschen Schritt. Die Beauftragung des Landes mit der Holzvermarktung sei eine im LWaldG bestehende Option gewesen, deren Anwendung von den Forstämtern empfohlen wurde. Das Land habe in der Vergangenheit stets deutlich gemacht, dass es die gegenüber dem Bundeskartellamt eingegangenen Verpflichtungen in vollem Umfang erfülle. Oberste Zielsetzung müsse nunmehr sein, dass das Land den Rechtsstreit gewinne.

Mit der Streitverkündung besteht für die Empfänger die Möglichkeit, dem Rechtsstreit beizutreten und ihn durch Anträge selbst aktiv mitzugestalten. Der Streitbeitritt macht vornehmlich dann Sinn, wenn durch eigenen Vortrag neue Gesichtspunkte in den Prozess eingebracht werden, die den Ausgang zu eigenen Gunsten beeinflussen können. Da mehr als 1.000 natürlichen und juristischen Personen der Streit verkündet wurde, legt dies ein abgestimmtes Vorgehen der Streitverkündungsempfänger nahe. Die Stadt Ingelheim und die Gemeinde Morbach sind im August 2022 im Interesse aller Streitverkündungsempfänger dem Streit auf Seiten des beklagten Landes beigetreten. Der Gemeinde- und Städtebund hat seinen Mitgliedern empfohlen, vor Ort keine eigenen rechtlichen Schritte einzuleiten.

Das LG Mainz hat im Oktober 2022 die Kartellschadensersatzklage gegen das Land Rheinland-Pfalz abgewiesen. Der Klägerin fehle die Aktivlegitimation für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche. Außerdem scheitere eine Haftung des Landes daran, dass die gebündelte Rundholzvermarktung auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben erfolgt sei. Schließlich sei auch eine kartellbedingte Preisüberhöhung durch die gebündelte Rundholzvermarktung nicht plausibel dargelegt.

Gegen das Urteil des LG Mainz hat die ASG 3 Berufung vor dem OLG Koblenz eingelegt. Es muss davon ausgegangen werden, dass erst eine Entscheidung des BGH, die sicherlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, rechtliche Klarheit über die geltend gemachten Kartellschadensersatzansprüche und ggf. deren Höhe schafft.

Autor: Dr. Stefan Schaefer Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel