1.3 Einführung eines neuen Teilhaberechts
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) wird die Eingliederungshilfe ab 1. Januar 2020 aus dem bisherigen Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgelöst und als modernes, personenzentriertes Leistungsrecht in den neuen Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überführt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe orientieren sich künftig an den Vorgaben des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 – über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention). Diese ist seit dem 26. Mai 2009 geltendes Bundesrecht (vgl. BGBl. 2008 II S. 1419; 2009 II S. 812). Die Leistungen berücksichtigen den persönlichen Bedarf des Menschen mit Behinderung und werden entsprechend bundeseinheitlicher Vorgaben personenbezogen ermittelt. Durch die Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen ist eine stärkere Fokussierung auf die Eingliederungshilfe gewährleistet. Grundsicherungs- und Eingliederungshilfeleistungen werden getrennt, teilweise vom Bund übernommen.
Darüber hinaus wird das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht, insbesondere die Regelungen zur Zuständigkeitsklärung, zur Bedarfsermittlung und zum Teilhabeplanverfahren, geschärft sowie das Schwerbehindertenrecht u. a. hinsichtlich der Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen sowie der Schaffung eines Merkzeichens für taubblinde Menschen weiterentwickelt. So wird die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen umfassend verbessert, um ein menschenwürdiges Leben in der Mitte der Gesellschaft zu ermöglichen.
Einheitliche und mit der Behindertenrechtskonvention konforme Ziele bei der Schaffung des Bundesteilhabegesetzes sind insbesondere
- die gesetzliche Definition von Behinderung mit den allgemeinen Grundsätzen und Bestimmungen der Behindertenrechtskonvention in Einklang bringen,
- die Deinstitutionalisierung und ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen zu fördern,
- die Voraussetzungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen,
- eine Prüfung des Umfangs vorzunehmen, in dem Menschen mit Behinderungen ihr persönliches Einkommen verwenden, um ihre Bedarfe zu decken und selbstbestimmt zu leben,
- Menschen mit Behinderungen soziale Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die ihnen Inklusion, Selbstbestimmung und die Entscheidung in der Gemeinschaft zu leben, ermöglichen.
Das BTHG wurde in drei Reformstufen umgesetzt bis Ende 2023. Im Januar 2023 bewertete eine wissenschaftliche Studie die absehbaren Wirkungen der Regelungen der Eingliederungshilfe nach BTHG. Sie untersuchte, wie sich die Reform auf die Verwaltung und Praxis der Leistungserbringung auswirken wird und ob das BTHG mit seiner personenzentrierten Leistungserbringung zu einer Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung führen wird. So wird etwa das Budget für Arbeit für die Zielgruppe, die einen Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt anstrebt, als wirksame Erweiterung des Instrumentariums gesehen mit dem Ziel der Teilhabe am Arbeitsleben jenseits der Werkstattbeschäftigung zu ermöglichen. Auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Assistenzformen (Elternassistenz, Ehrenamtsassistenz) werden als sinnvolle Neuerungen im Kontext der sozialen Teilhabe gesehen.