2. Haushaltsausgleich und Konsolidierung
2.1 Anforderungen an den Haushaltsausgleich
Die Gemeinde hat – wie bereits erwähnt – ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist (§ 93 Abs. 1 GemO). Ergänzt wird diese Vorgabe durch die Regelung, dass der Haushalt auch in jedem Haushaltsjahr in Planung und Rechnung auszugleichen ist (§ 93 Abs. 4 GemO). Dieser Ausgleich ist nicht in rein formellem Sinne zu verstehen, denn ein Gesetz kann nichts unmögliches Verlangen und muss weitere Gegebenheiten bewerten (Ermessensspielraum der Kommunalaufsicht). Auch ist hier lediglich ein materieller Haushaltsausgleich verlangt, das bedeutet, wenn die Gemeinde neben ihren laufenden Aufwendungen auch die Abschreibungen auf das Sachanlagevermögen aus ihren Erträgen und den Mindest-Rückführungsbetrag nach § 105 Abs. 4 Satz 2 GemO erwirtschaften kann, ist ein solcher erreicht (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 GemHVO). Eine Unterdeckung im Finanzhaushalt führt dazu, dass Kredite zur Liquiditätssicherung aufgenommen werden müssen, die über den Zinsaufwand wieder den Ergebnishaushalt belasten. Das Gemeindehaushaltsrecht verlangt daher mindestens den Ausgleich des Ergebnishaushalts (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 GemHVO). Diese Regelungen gelten folgerichtig auch für die Rechnung (§ 18 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 GemHVO).
Der Haushaltsausgleich nach § 18 GemHVO lässt sich daher wie folgt darstellen:
Planung § 18 Abs. 1 GemHVO | Rechnung § 18 Abs. 2 GemHVO | ||
1. | Ausgleich mindestens des Ergebnishaushalts | 1. | Ausgleich der Ergebnisrechnung |
2. | Ausgleich des Finanzhaushalts (inkl. Mindest-Rückführungsbetrag nach § 105 Abs. 4 Satz 2 GemO) | 2. | Ausgleich der Finanzrechnung (inkl. Mindest-Rückführungsbetrag nach § 105 Abs. 4 Satz 2 GemO) |
3. | Kein negatives Eigenkapital |
§ 18 Abs. 1 GemHVO; Eigene Darstellung
Kann ein im Haushaltsplan ausgewiesener Fehlbedarf im Laufe des geplanten Haushaltsjahres nicht ausgeglichen werden, entsteht ein Fehlbetrag in der Rechnung. Dieser Ausgleich könnte durch Mehreinnahmen oder durch Minderausgaben erreicht werden. Dennoch führt im Grundsatz der Fehlbetrag im Ergebnishaushalt zur Reduzierung des Eigenkapitals. Das Haushaltsrecht sieht zur Erreichung des Ausgleichs ein gestuftes Herangehen vor:
Ein Fehlbetrag kann mit Überschüssen aus Vorjahren verrechnet werden.
Ein verbleibender Fehlbetrag kann mit Überschüssen in den nächsten fünf Folgejahren verrechnet werden.
Gelingt dies nicht, ist der verbleibende Fehlbetrag mit der Kapitalrücklage (Eigenkapital) zu verrechnen.
Gelingt auch das nicht, ist der Fehlbetrag vorzutragen, bis er mit Überschüssen verrechnet werden kann.
Die aufgezeigten Möglichkeiten zu den Nummern eins und zwei werden als zyklischer Haushaltsausgleich bezeichnet und finden Anwendung in Gemeinden, die z. B. aufgrund von Gewerbesteuereinnahmen mit ständigen stark schwankenden Einnahmen rechnen müssen. Diese Einnahmen sind schwer in der Planung abzubilden, weil diese von nicht vorhersehbaren Faktoren abhängig sind. Sofern der Ausgleich hierrüber gelingt, ist beim Vorliegen von Überschüssen aus Vorjahren ein verfehlter Ausgleich im Planjahr eher unbedenklich. Bei der Nummer drei sollte bereits Vorsicht walten, denn die Reduzierung des Eigenkapitals findet ihre Grenze bei der Überschuldungsreglung nach § 93 Abs. 6 GemO. Auch die Möglichkeit der Nummer vier ist von nicht beeinflussbaren Faktoren geprägt und trägt daher das Siegel Hoffnung. Am Ende bleibt, dass verbleibende Fehlbeträge spätestens nach fünf Jahren gegen das Eigenkapital gebucht werden müssen.
Gründe, warum ein kommunaler Haushalt nicht ausgeglichen ist, sind vielfältig. Ein solcher ist auf der Einnahmeseite abhängig von der Konjunkturentwicklung und damit von Steuereinnahmen. Diese wiederum unterliegen gerade bei der Gewerbesteuer den Strategien der Unternehmen. Steuerausfälle durch Insolvenzen, Wegzug und sonstigen Veränderungen kann nicht entgegengewirkt werden. Aber auch steuerrechtliche Maßnahmen des Bundes, wie der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz – BT-Drs. 20/8628 vom 2. Oktober 2023), welches intensiv auf der gemeindlichen Ebene zu Steuermindereinnahmen führen wird, gehören hierzu. Ferner ist auch die Leistung des Landes nach dem Konnexitätsprinzip und nach dem kommunalen Finanzausgleich ein maßgebender Faktor. Aufgrund der Neuregelung des Landesfinanzausgleichsgesetzes zum 1. Januar 2023 kann es nun auch zu geringeren Leistungen aus der Finanzausgleichsmasse und damit zu geringeren Schlüsselzuweisungen kommen.
Auf der Ausgabenseite und damit auf der Aufwandseite sind dies steigende und nicht beinflussbare Ausgaben. Hierunter fallen unter anderem Ausgaben im sozialen Bereich, vor allem Aufwendungen für die Kindertagesbetreuung vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bis hin zu den Trägern der Einrichtungen. Hier werden durch die gesetzliche Neuregelung erhebliche Aufwendungen in den Bereich Ausstattung, aber auch Bau (An-, Um- und Erweiterungsbau und Ersatzneubauten) ausgelöst. Die eine oder andere – jedenfalls nicht flächendeckende – Fehlentscheidung vor Ort kann auch den Haushalt belasten und zu einem unausgeglichenen Haushalt führen.
2.2 Konsolidierungsstrategien
Im Falle eines nicht ausgeglichenen Haushaltes gilt es diesen Ausgleich wieder zu erreichen. Hierzu ist eine Konsolidierungsstrategie zu entwickeln. Vorschläge gibt es im Schrifttum ausreichend, diese können meist nicht eins zu eins umgesetzt werden, es muss der individuell richtige und damit passende Ansatz gefunden werden. Es gibt kein absolutes Patentrezept für eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung, die häufig favorisierte Pauschalkürzungsmethode (auch Rasenmäher Methode) ist meist nicht passend, weil damit auch notwendige Ausgaben an anderer Stelle beeinträchtigt werden. Daneben ist der Literatur immer wieder zu entnehmen, dass freiwillige Leistungen gekürzt oder Eigentum der Gemeinde verkauft werden sollen. Bei den freiwilligen Leistungen sind diese zunächst genau zu ermitteln und die zu kürzenden Leistungen zu identifizieren. Beim Verkauf von Vermögen sind die Vorgaben des § 79 GemO zu beachten, die Gemeinde darf Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht braucht, veräußern. Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben braucht, darf die Gemeinde nur veräußern, wenn sie sich deren langfristige Nutzung sichert und sie die Aufgaben so nachweislich wirtschaftlicher erfüllen kann. Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zum Verkehrswert veräußert werden.
Vor jeder Haushaltskonsolidierung steht eine Aufgabenkritik. In der Betrachtung teilt sich die Aufgabenkritik in drei Bereiche, die Zweckkritik (Sinn der Aufgabenwahrnehmung), die Vollzugskritik (Form der Aufgabenwahrnehmung) und die Funktionalkritik (Organisationsform). Konsolidierungspotenziale ergeben sich nach dem Haushalt in vier Ausprägungen:
Ausgabensenkung bzw. Aufwandsverringerung
Einnahmenerhöhung bzw. Ertragssteigerung (Einnahmebeschaffungsgrundsatz beachten)
Veränderung von strukturellen Rahmenbedingungen (z. B. interkommunale Zusammenarbeit)
Veränderung bestehender Finanzierungsformen
Dabei können die vier genannten Ausprägungen alternativ oder auch kumulativ zum Erreichen der Haushaltskonsolidierung eingesetzt werden. Meist ist ein Mix aus allen Bereichen der Weg zum Erfolg, allerdings muss bei allen Maßnahmen an die zukünftige Entwicklung vor Ort gedacht werden.
2.3 Finanzlage der Kommunen, Entschuldungsfonds und Partnerschaftliche Entschuldung in Rheinland-Pfalz
Die kommunale Finanzlage hat sich seit 1990 verschlechtert, erste Anzeichen waren die negativen Finanzierungssalden der Kommunen, die bis 2014 und im Jahr 2016 negativ waren. Seit dem Jahr 1999 sind die kommunalen Kassenkredite, heutige Kredite zur Liquiditätssicherung ständig gestiegen. Als erster Unterstützungsschritt wurde der Kommunale Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) ab dem 1. Januar 2012 eingesetzt, dieser soll und wird über 15 Jahre laufen. Sein maximales Volumen umfasst 3,9 Mrd. Euro. Die Finanzierung des KEF-RP besteht aus drei gleichen Bestandteilen. Ein Drittel der Mittel stammen aus dem unmittelbaren Landeshaushalt, ein weiteres Drittel fließt aus dem kommunalen Finanzausgleich und das letzte Drittel wird von den Kommunen selbst beigesteuert, die dem Fonds beigetreten sind (der Beitritt war freiwillig und nur über einen bestimmten Zeitraum zugelassen). Es wurde jeweils individueller Konsolidierungsvertrag zwischen der einzelnen Kommune und dem Land erstellt und unterschrieben, der KEF-RP endet im Jahr 2026 nach fünfzehn Jahren.
Die Entwicklung der Liquiditätskredite in Rheinland-Pfalz 2005 - 2022 (in Mio. Euro)
Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, vierteljährliche Kassenstatistik, eigene Darstellung
Aufgrund der sich abzeichnenden Entwicklung und dem Urteil des VerfGH RP vom 16. Dezember 2020 wurde zur Ergänzung des nicht ganz erfolgreichen KEF-RP ein neues Entschuldungsprogramm entwickelt und umgesetzt. Das dies nicht freiwillig erfolgte, ergibt sich aus der Forderung des VerfGH RP, dieser formuliert in Rn. 121 seines genannten Urteils: „Darüber hinaus ist das Land an die bereits im Jahr 2012 angemahnte Entlastung der stark verschuldeten Kommunen zu erinnern: […]. Ohne die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel zu diesem Zweck erscheint dies nach wie vor ausgeschlossen (vgl. bereits VerfGH RP, Urteil vom 14. Februar 2012 – VGH N 3/11 –, AS 41, 29 [58]).“
Mit der Änderung der Verfassung für Rheinland-Pfalz in Art. 117 Abs. 4 LV (GVBl. 2022, S. 105), wurde der Startschuss zur weiteren Handlung gesetzt. Das Landesgesetz über die Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz (LGPEK-RP; GVBl. 2023, S. 29) und die Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes über die Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz (LVOPEK-RP; GVBl. 2023, S. 79) regeln die Ausführung des Programms. Auch hier ist der Beitritt wieder freiwillig. Das Programm Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz (PEK-RP) dient der Entschuldung der besonders mit Liquiditätskrediten belasteten Kommunen und übernimmt im Durchschnitt 50 v. H. der Kredite zur Liquiditätssicherung. Das Programm regelt die Schuldübernahme durch das Land in Höhe von 3 Mrd. Euro. Im Gegenzug zur Schuldübernahme des Landes verpflichten sich die teilnehmenden Kommunen die verbleibenden Beträge innerhalb von 30 Jahren zu tilgen.
2.4 Grundsätze der Finanzmittelbeschaffung
Die Gemeinde hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen auf der Grundlage von § 94 Abs. 2 GemO, soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen, im Übrigen aus Steuern zu beschaffen. Für die Steuern gilt das nur, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen. Eine steuerliche Vorratsbeschaffung ist damit ausgeschlossen. Die Gemeinden erheben die Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Geregelt ist damit, dass die Gemeinden den Finanzmittelbedarf zunächst aus Gebühren und Beiträgen erwirtschaften müssen, hierrunter zählen z. B. Mieten, Pachten, Nutzungsentgelte, Benutzungsgebühren, Schlüsselzuweisungen und sonstige Zuweisungen nach dem LFAG, aber auch Zuschüsse, Bußgelder, ebenso wie Verkaufserlöse aus Anlagevermögen und die gesetzlich normierten Gemeindeanteile an der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer sowie die Zuweisungen nach dem Familienleistungsausgleich. Auf die Erhebung von Tourismus- und Gästebeiträgen sowie von Beiträgen für selbständige Immissionsschutzanlagen, Parkflächen und Grünanlagen kann die Gemeinde ganz oder teilweise verzichten. Im Übrigen kann die Gemeinde durch Satzung regeln, dass kommunale Abgaben nicht festgesetzt und erhoben werden, wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zum Aufkommen stehen (§ 94 Abs. 2 Satz 2 und 3 GemO). Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 2 Abs. 1 GemO auch Sponsoringleistungen, Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen einwerben und annehmen oder an Dritte vermitteln, die sich an der Erfüllung von Aufgaben nach § 2 Abs. 1 beteiligen (§ 94 Abs. 3 Satz 1 GemO).
Aus dem Text der GemO ergibt sich damit eine Rangfolge der Einnahmebeschaffung:
Entgelte für Leistungen der Gemeinde,
Sponsoringleistungen, Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen,
Steuern in eigener Verantwortung,
danach die Kreditaufnahme.