VII. Die Kreditaufnahme
1. Grundlagen
Die Finanzierung kommunaler Aufgaben erfolgt auf vielfältige Weise und mit unterschiedlichen Mitteln. Dies sind dem Einnahmebeschaffungsgrundsatz folgend beispielsweise Entgelte für ihre Leistungen, Steuern, aber auch Zuweisungen des Bundes und des Landes (kommunaler Finanzausgleich) sowie auch Spenden und Sponsoring. Reichen jedoch die liquiden Mittel nicht aus sind Finanzierungen über Kreditaufnahmen erforderlich. Die Gemeindeordnung kennt für die Kommunen Investitionskredite nach § 103 GemO und die Kredite zur Liquiditätssicherung nach § 105 GemO.
Investitionskredite dürfen nach § 105 Abs. 1 GemO unter der Voraussetzung des § 94 Abs. 4 GemO nur für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung von Investitionskrediten aufgenommen werden. Zur rechtzeitigen Leistung ihrer Auszahlungen kann die Gemeinde Kredite zur Liquiditätssicherung nach § 105 Abs. 2 GemO bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag aufnehmen, soweit keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Diese Ermächtigung gilt über das Haushaltsjahr hinaus bis zur öffentlichen Bekanntmachung der neuen Haushaltssatzung. Die von der Gemeinde nach dem 31. Dezember 2023 aufgenommenen Kredite zur Liquiditätssicherung und die nach diesem Zeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten gegenüber der Einheitskasse sollen innerhalb von höchstens 36 Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres, für das sie aufgenommen worden sind, vollständig getilgt werden (§ 105 Abs. 5 GemO). Damit ist gesetzlich festgelegt, dass die Kreditaufnahme immer nur ein ergänzendes Instrument der gemeindlichen Finanzwirtschaft darstellt.
In der Verbindlichkeitenübersicht sind nach § 52 GemHVO die Verbindlichkeiten der Gemeinde nachzuweisen. Die Verbindlichkeitenübersicht ist vertikal entsprechend der Bilanz zu gliedern. Anzugeben sind der Gesamtbetrag zum Beginn und zum Ende des Haushaltsjahres, die Verbindlichkeiten unterteilt nach Restlaufzeiten bis zu einem Jahr, von einem bis zu fünf Jahren und von mehr als fünf Jahren. Damit ist festgestellt, dass auch hier das Bruttoprinzip gilt, so dass im Finanzhaushalt auf der Einzahlungsseite die Bruttokreditaufnahme, auf der Auszahlungsseite die Tilgungsvorgänge auszuweisen sind. Für die Beurteilung der Haushaltswirtschaft der Gemeinde sind jedoch der Schuldenstand und seine Veränderung maßgeblich. Hinsichtlich der Tilgung sind ordentliche und außerordentliche Vorgänge zu unterscheiden. Als ordentliche Tilgung werden Zahlungsvorgänge bezeichnet, die regelmäßig, aufgrund der Tilgungsverpflichtungen vertraglich zu leisten sind. Außerordentliche Tilgungsvorgänge sind Zahlungen, die über die ordentliche Tilgung hinausgehen; sie hängen üblicherweise mit der Umschuldung von Krediten zusammen. Eine Umschuldung bezeichnet die Ablösung eines Kredites durch einen anderen Kredit.
Die Haushaltssatzung enthält nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 d GemO für das Haushaltsjahr die Festsetzung des Haushaltsplans unter Angabe des Gesamtbetrags der vorgesehenen Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen ohne Umschuldungen (Kreditermächtigung) sowie den Höchstbetrag der Kredite zur Liquiditätssicherung § 95 Abs. 1 Nr. 2 GemO. Aus der dem Jahresabschluss beizufügenden Verbindlichkeitenübersicht (§ 52 GemHVO) ist der Umschuldungsbedarf in den Folgejahren zu erkennen. Kredite sind innerhalb der haushaltsrechtlichen Grenzen allgemeine Deckungsmittel, d. h. eine Zuordnung von bestimmten Krediten zu einzelnen Investitionsvorhaben ist nicht möglich.
2. Kreditähnliche Rechtsgeschäfte
Nach § 103 Abs. 5 GemO bedarf die Begründung einer Zahlungsverpflichtung, die wirtschaftlich einer Kreditverpflichtung gleichkommt, der Einzelgenehmigung der Aufsichtsbehörde (Kommunalaufsicht). Neben der Aufnahme von Krediten wird die Haushaltswirtschaft der Gemeinden auch durch den Abschluss kreditähnlicher Rechtsgeschäfte zukünftig belastet. Für die Beurteilung, ob ein kreditähnliches Rechtsgeschäft vorliegt, kommt es auf den Einzelfall an. Entscheidend ist nicht die formale Bezeichnung und Einordnung des Geschäftes, sondern dessen wirtschaftliche Auswirkung. Ein kreditähnliches Rechtsgeschäft kommt im Ergebnis einer Kreditaufnahme gleich, insbesondere im Hinblick auf die mit den Verträgen verbundenen Zahlungsverpflichtungen (Ziffer 5 VV zu § 105 GemO). Auch kreditähnliche Rechtsgeschäfte bedürfen gemäß § 103 Abs. 5 GemO einer aufsichtsbehördlichen (Einzel-)Genehmigung, soweit es sich nicht um die Übernahme einer Zahlungsverpflichtung im Rahmen der laufenden Verwaltung handelt.
Zu den kreditähnlichen Rechtsgeschäften gehören insbesondere folgende Rechtsgeschäfte:
Bausparverträge (Bausparverträge werden mit dem Ziel abgeschlossen, nach vertragsgemäßer Zahlung der Sparbeiträge den von der Vertragssumme noch nicht angesparten Betrag nach der Zuteilung als Kredit zu erhalten.)
Verträge mit Unternehmern (Verträge über die Durchführung von Investitionen sind dann genehmigungspflichtig, wenn der Unternehmer die Finanzierung ganz oder teilweise übernimmt und die Gemeinde sich zur Zahlung daraus entstehender Folgekosten verpflichtet.)
Leasing (Leasing ist die langfristige Vermietung/Anmietung von beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenständen, wobei der Vermieter Eigentümer bleibt, der Mieter aber das Recht hat, den gemieteten Gegenstand nachträglich unter teilweiser Anrechnung der bereits geleisteten Mietzahlungen zu erwerben.)
Abschluss von Leibrentenverträgen
Abschluss langfristiger Leistungsverträge (Verträge mit einem Sanierungs- oder Entwicklungsträger, Vereinbarungen über Vorfinanzierungen mit Grundstücksbeschaffungs- und Erschließungsgesellschaften)
Stundungsvereinbarungen aus Kauf-, Dienst- oder Werkverträgen
Contracting (Contracting ist die Übertragung von Aufgaben der Energiebereitstellung, Energielieferung und Bewirtschaftung auf ein darauf spezialisiertes Unternehmen.)
Nicht zu den kreditähnlichen Rechtsgeschäften zählen sog. Zinsderivate. Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zum Einsatz von Zinsderivaten durch die Gemeinde besteht nicht. Die Befugnis der Gemeinden zum Einsatz von Zinsderivaten ergibt sich als Annex zu der für das jeweilige Haushaltsjahr genehmigten Kreditermächtigung. Im Rahmen ihrer zulässigen Kreditaufnahme obliegt der Gemeinde auch die Entscheidung, unter welchen Bedingungen ein Kredit aufgenommen wird. Die Kompetenz zur Gestaltung der Kreditkonditionen endet nicht mit Abschluss der Kreditaufnahme, sondern schließt die Befugnis ein, auch während der Kreditlaufzeit noch geänderte Konditionen zu vereinbaren (Ziffer 6 VV zu § 105 GemO). Die Annahme allerdings, der Verzicht auf die Anwendung von Zinssicherungsinstrumenten sei ohne Risiko, ist verfehlt. Denn auch eine mehrjährige Festzinsvereinbarung kann sich als Fehleinschätzung erweisen. Jede Art derivativer Finanzinstrumente sind u. a. mit Art und Umfang der Finanzinstrumente im Anhang zum Jahresabschluss nachzuweisen (§ 48 Abs. 2 Nr. 17 a) GemHVO).
3. Grenzen der Kreditaufnahme
Zu unterscheiden sind weiterhin die Kredite zur Liquiditätssicherung und die Investitionskredite, beide finden ihre Grenzen in den jeweiligen gesetzlichen Regelungen. Neu in der Gemeindeordnung ist die Genehmigungspflicht der Kredite zur Liquiditätssicherung nach § 105 Abs. 3 GemO. Der in der Haushaltssatzung festgesetzte Höchstbetrag der Kredite zur Liquiditätssicherung sowie der Verbindlichkeiten gegenüber der Einheitskasse (§ 95 Abs. 4 Nr. 3 GemO) bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung kann auch unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Damit ist die Grenze deutlich aufgezeigt. Außerdem sollen die von der Gemeinde nach dem 31. Dezember 2023 aufgenommenen Kredite zur Liquiditätssicherung und die nach diesem Zeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten gegenüber der Einheitskasse innerhalb von höchstens 36 Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres, für das sie aufgenommen worden sind, vollständig getilgt werden.
Die Gemeinde hat jederzeit ihre Zahlungsfähigkeit sicherzustellen, damit einhergehend ist die Sicherung der dauerhaften Leistungsfähigkeit verbunden. Die Gemeinden sind zur stetigen Aufgabenerfüllung verpflichtet, damit die Grundversorgung der Bürger mit öffentlichen Leistungen kontinuierlich gewährleistet ist. Zur rechtzeitigen Leistung ihrer Auszahlungen kann die Gemeinde Kredite zur Liquiditätssicherung bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag aufnehmen, soweit keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Diese Ermächtigung gilt über das Haushaltsjahr hinaus bis zur öffentlichen Bekanntmachung der neuen Haushaltssatzung (§ 103 Abs. 2 GemO). Die dauerhafte Leistungsfähigkeit dürfte gefährdet sein, wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht bzw. auf Grund der Kreditaufnahme verfehlt wird. Die restriktive Handhabung der Kreditgenehmigung bei (dauerhaft) unausgeglichenem Haushalt erweist sich als schwierige Hürde bei der Inanspruchnahme staatlicher Fördermittel. Die Gemeinde muss bei Fördermaßnahmen stets einen Eigenanteil erbringen, den sie gegebenenfalls nur über Kredite finanzieren kann. Das steht dann im Widerspruch zum Grundsatz der dauerhaften Leistungsfähigkeit. Daher ist in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob eine gemeindliche Finanzierung möglich ist (§ 25 Abs. 2 Nr. 3 LFAG). Zuweisungen für Investitionen seitens des Landes dürfen nur gewährt werden, sofern die kommunale Gebietskörperschaft in der Lage ist, den Eigenanteil an den Investitionskosten sowie die Folgekosten der Investition ohne Gefahr für ihre dauernde Leistungsfähigkeit aufzubringen. Von diesen Voraussetzungen kann ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden.
Investitionskredite dürfen nur für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung von Investitionskrediten aufgenommen werden. Damit findet eine Begrenzung der Kreditaufnahme im Haushaltsrecht statt (§ 103 Abs. 1 GemO). Eine weitere Begrenzung erfährt die Kreditaufnahme der Gemeinden durch die Nennung des § 94 GemO in der Regelung, damit ist die Rangfolge der Deckungsmittel festgelegt. Voraussetzung für eine kommunale Kreditaufnahme ist, dass es überhaupt ein Angebot bzw. es überhaupt ausreichende Angebote vom nicht-öffentlichen Bereich gibt.