I. Interkommunale Zusammenarbeit anstatt Gebietsreformen
Digitalisierung, Fachkräftemangel, immer engere finanzielle Spielräume der Kommunen – alle diese Faktoren führen zu einem erheblichen Veränderungsdruck in den Verwaltungen der Kreise, Städte und Gemeinden. Nachdem es in der 16. und 17. Wahlperiode des rheinland-pfälzischen Landtags zu Fusionen auf Verbandsgemeindeebene gekommen ist, ist man zwischenzeitlich davon abgekommen, weitere Gebietszusammenschlüsse zu forcieren. Weitere Fusionen sind nicht länger Gegenstand konkreter Überlegungen. Das heißt, gebietliche Änderungen sollen derzeit nicht weiter vorangetrieben werden und die Kommunal- und Verwaltungsreform bleibt ausgesetzt. Dieses bezieht sich sowohl auf die geplante zweite Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform, bei der die Landkreise und kreisfreien Städte in den Blick genommen wurden, als auch auf die erste Stufe bzw. auf die Ebene der Verbandsgemeinden. Freiwillige Gebietsänderungsmaßnahmen, die aus der Mitte der Kommunen heraus initiiert werden, werden durch die Landesregierung auch weiterhin befürwortet und im Rahmen der haushälterischen Möglichkeiten unterstützt.
Dazu beigetragen haben unterschiedliche Ursachen. Zum einen wurde das Einsparpotential derartiger Zusammenschlüsse vielfach überschätzt. So sind für die Erbringung zahlreicher kommunaler Leistungen die Fallzahlen entscheidend. Zusammenschlüsse führen deshalb nicht automatisch zu einem geringeren Aufwand, zu weniger Personal oder zu geringeren Kosten – unabhängig davon, dass auch mit diesen an sich erhebliche Kosten verbunden wären.
Weitergehende Gebietsreformen in anderen Bundesländern, die zu deutlich größeren Einheiten geführt haben, haben dagegen zu sichtbaren Nachteilen geführt. Vielerorts – etwa dort, wo Großkreise gebildet worden sind, wie in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Teilen von Nordrhein-Westfalen führten diese Prozesse zu einer wachsenden Entfremdung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung. Die beschriebenen Kollateralschäden einer derartigen Fusionspolitik haben in der Folge in Thüringen zu einem Abbruch der geplanten Gebietsreform im Jahr 2017 geführt. Eine Konzentration auf quantitative Größen der Verwaltungen führt per se weder zu mehr Effizienz noch zu mehr Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern.
Nimmt man in Rheinland-Pfalz etwa einwohnerschwache Landkreise in den Blick und würde hier Fusionen in Erwägung ziehen, ließen sich diese vielleicht im Hinblick auf das Kriterium der Einwohnerzahl noch nachvollziehen. Anders stellt sich dies jedoch im Hinblick auf die Fläche dar. Gerade in ohnehin schon strukturschwachen Bereichen, würde sich dann auch noch die kommunale Verwaltung aus der Fläche zurückziehen. Dieser Trend sollte nicht ungebremst fortgeführt werden, da betroffene Regionen in der Vergangenheit ohnehin schon aus fiskalischen oder ökonomischen Erwägungen von Schließungen öffentlicher Institutionen oder Einrichtungen der Daseinsvorsorge betroffen sind, etwa bei Gerichten oder im Bereich der Gesundheitsversorgung.
Veränderungsbedarf und Handlungsdruck besteht aus den oben genannten Gründen aber dennoch. Deshalb ist ein besonderes Augenmerk auf die Zusammenarbeit von Kommunen in einzelnen oder mehreren Bereichen, sogenannte interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) bzw. interkommunale Kooperationen zu legen. Das große Potential der IKZ sollte weiter gehoben werden.
Vorteile interkommunaler Zusammenarbeit
IKZ kann Leistungen besser, schneller und effektiver machen. Kooperationen sind aber kein Beitrag zur Lösung der kommunalen Finanzprobleme. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel sind interkommunale Kooperationen eine Chance, um in Zukunft funktionierende Verwaltungsstrukturen und einen guten Service für die Bürgerinnen und Bürger anbieten zu können:
- Sie schaffen Freiraum für Spezialisierungen. Wenn sich mehrere Gemeinden zusammentun und eine gemeinsame zentrale Vergabestelle gründen, kann dort das erforderliche spezielle Fachwissen gebündelt werden und anderenorts werden wieder mehr Ressourcen frei.
- Bürgerservice kann verbessert werden: Bei personellen Engpässen, die durch Krankheit und Urlaubszeit immer mal entstehen können, kann so die Bearbeitung der anfallenden Vorgänge sichergestellt werden. Denn oft kann eine Vertretung aus einem anderen Fachbereich bei komplizierteren Anfragen nicht weiterhelfen.
- Stellen, die sonst nur als Teilzeitjob ausgeschrieben werden können, sind so zur Ausschreibung als Vollzeitstelle denkbar. Zum Beispiel kommt es gerade bei nicht ganz so großen Verbandsgemeinden vor, dass bei der Forderungsvollstreckung aufgrund der geringen Anzahl der zu erledigenden Fälle die Stelle nur als Teilzeitstelle ausgeschrieben werden kann. Dieses ist für das qualifizierte Personal aber oft nicht attraktiv. Tun sich zwei Verbandsgemeinden zusammen, können Sie die Stelle als Vollzeitstelle ausschreiben (so zum Beispiel geschehen in den Verbandsgemeinden Herxheim und Offenbach an der Queich).
- Interkommunale Zusammenarbeit bedeutet auch, das Rad nicht neu erfinden zu müssen und voneinander zu lernen. Beispiel: Zusammenarbeit im Bereich Digitalisierung, wenn ein Kooperationspartner schon eine Anwendung eingeführt hat, kann die andere hier auf die „Lessons learned“ zurückgreifen.
- Kooperationen erfordern keine unmittelbare Nachbarschaft. Gerade mit zunehmender Digitalisierung bietet sich auch immer mehr Potenzial für Kooperationen bei der Abwicklung im sogenannten Back-Office. Das bedeutet gleichzeitig, dass Kooperationen nicht zwingend mit der Nachbarkommune erfolgen müssen, sondern beispielsweise auch – sofern es der rechtliche Rahmen zulässt – mit einer Gemeinde am anderen Ende des Kreises oder des Landes denkbar wäre. Erste Ansätze hierzu gibt es bereits am Mittelrhein. Hierin zeigt sich der große Vorteil von IKZ gegenüber Gebietsänderungen im Rahmen einer Kommunal- und Verwaltungsreform.
Finanzprobleme lassen sich durch interkommunale Kooperationen jedoch bedauerlicherweise in den seltensten Fällen lösen. So werden aufgrund der rechtlichen Vorgaben künftig Leistungen, die nicht rein hoheitlich sind, im Falle von Kooperationen zwischen Gemeinden in der Regel steuerpflichtig und damit nicht billiger, sondern im Zweifel teurer.