III. Rechtsanspruch

Seit dem 1. August 2013 besteht ein gerichtlich einklagbarer, bundesweiter Rechtsanspruch auf Förderung für alle Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr. Das SGB VIII regelt in § 24 Abs. 2 und Abs. 3: „Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.“

Nach § 14 Abs. 1 KiTaG haben Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Er umfasst im Rahmen der Öffnungszeiten der Tageseinrichtung montags bis freitags eine tägliche Betreuungszeit von regelmäßig durchgängig sieben Stunden. Dieses Angebot soll als Vormittagsangebot ausgestaltet werden. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KiTaG gilt, dass Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 oder in Kindertagespflege haben. Hierüber entscheiden die Eltern im Rahmen des Wahlrechts nach § 5 Abs. 1 und 2 SGB VIII.

1. Adressat

Der Rechtsanspruch richtet sich nach § 14 Abs. 2 Satz 1 KiTaG immer an den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Das sind in Rheinland-Pfalz auf der Grundlage des § 69 Abs. 1 SGB VIII und § 2 Abs. 1 AGKJHG die Landkreise sowie die kreisfreien Städte und die fünf großen kreisangehörigen Städte mit eigenem Jugendamt (in Rheinland-Pfalz 41 Jugendämter). Und hier ist wieder entscheidend, in welchen Jugendamtsbereich das anspruchsberechtigte Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Soweit Eltern im Einzelfall ein Angebot außerhalb ihres Jugendamtsbereiches suchen, ist dies legitim; allerdings besteht insoweit grundsätzlich kein Beschaffungsanspruch gegenüber dem Jugendamt. Auf die Regelung des § 27 Abs. 4 KiTaG ist in diesen Fällen zu verweisen.

2. Anspruchsinhaber

Anspruchsinhaber sowohl nach § 24 SGB VIII und nach den §§ 14 ff. KiTaG ist immer das Kind. Der Rechtsanspruch kann nicht von besonderen Reife- und Eignungsmerkmalen abhängig gemacht werden; entscheidend ist allein das Alter des Kindes. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist ein Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist.

3. Zeitlicher Umfang

Nach § 14 Abs. 1 KiTaG haben Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Dieser beschriebene Rechtsanspruch umfasst im Rahmen der Öffnungszeiten der Tageseinrichtung montags bis freitags (außer an gesetzlichen Feiertagen, § 7 Abs. 4 SGB VIII) eine tägliche Betreuungszeit von regelmäßig durchgängig sieben Stunden. Dieses Betreuungsangebot soll als Vormittagsangebot ausgestaltet werden. Die textlich insoweit abweichenden Regelungen des § 24 Abs. 2 Satz 2 und des Abs. 3 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt.

Ferner ist geregelt, dass bei Angeboten, die eine Betreuung über die Mittagszeit beinhalten, ein Mittagessen vorgesehen werden soll. In diesen Fällen können die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. als Orientierung dienen. Nach § 31 Abs. 1 KiTaG kann die Ausgestaltung des Mittagessens nach § 14 Abs. 1 Satz 4 KiTaG bis zum Abschluss der Evaluation nach § 29 KiTaG auf unterschiedliche Weise erfolgen. Dies umfasst vielfältig geregelte Formen der Verpflegung. Nach § 29 KiTaG überprüft die Landesregierung im Jahr 2028 die Auswirkungen (Evaluation).

4. Anspruch auf bestimmten Platz

Es besteht kein Anspruch auf einen bestimmten Platz oder einen Platz im Wohnort. Nach § 5 Abs. 1 SGB VIII haben die Eltern ein Wunsch- und Wahlrecht, auf welches diese vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinzuweisen sind. Nach § 5 Abs. 2 SGB VIII soll der Wahl und den Wünschen entsprochen werden, wenn die Umsetzung zu keinen unverhältnismäßigen Mehrkosten führt.

Allerdings kann das Wahlrecht nur im Rahmen der Einrichtungen geltend gemacht werden, die zur Deckung des allgemeinen Bedarfs bestehen bzw. zu schaffen sind, also diejenigen Einrichtungen, die im Bedarfsplan des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe aufgenommen wurden. Ebenfalls besteht kein Anspruch auf Betreuung in einer Einrichtung, die dem Wohnort des Kindes am nächsten ist. Der Rechtsanspruch auf eine durchgängige siebenstunden Betreuung richtet sich an den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dieser hat zu gewährleisten, dass zur Erfüllung des Rechtsanspruchs rechtzeitig und in zumutbarer Entfernung ein bedarfsgerechtes Förderungsangebot zur Verfügung steht. Bei der Bestimmung der zumutbaren Entfernung können im Einzelfall auch individuelle Bedarfe von Eltern und Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 KiTaG). Das OVG RP hat mit Beschluss vom 15. Juli 2019 (Az. 7 B 10851/19) festgelegt, dass Wohnortnähe vorliegt, wenn die Kindertageseinrichtung innerhalb von max. 30 Min. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, zeitlich einbezogen sind Umsteige- und Wartezeiten.

5. Aufwendungsersatz bei Nichterfüllung

Trotz des aktuellen Platzausbaus wird es möglicherweise nicht überall gelingen, jedem anspruchsberechtigten Kind einen entsprechenden Platz in einer Kindertageseinrichtung oder alternativ in Kindertagespflege zur Verfügung zu stellen. Nach einem Urteil des BVerwG vom 12. September 2013 (Az. 5 C 35.12) hat ein Kind, dessen Rechtsanspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nicht erfüllt wird, unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf, dass die Aufwendungen der Eltern für seine Unterbringung in einer privaten (nicht in einem Bedarfsplan des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe berücksichtigten) Kindertageseinrichtung ersetzt werden.

Autor: Brandt, Hanna Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel