3.1. Handeln im Rahmen öffentlicher Gewalt
Die Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen öffentlicher Gewalt ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht näher definiert; auch das Unionsrecht hat eine diesbezügliche Definition nicht vorgenommen. Nach dem BMF sind Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt solche, bei denen die jPdöR im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig wird, z. B. durch
- ein Gesetz
- eine Rechtsverordnung
- eine Satzung
- aus Staatsverträgen
- verfassungsrechtliche Verträge
- Verwaltungsabkommen
- Verwaltungsvereinbarungen
- öffentlich-rechtlichen Verträge
- auf der Grundlage besonderer Regelungen
etc.
Entscheidend hierbei ist, dass die Tätigkeit den Gebrauch von hoheitlichen Befugnissen widerspiegelt und die jPdöR nicht unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer tätig werden. Wichtig ist zudem, dass neben einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung auch eine öffentlich-rechtliche Handlungsform gewählt wird, d. h. beispielsweise ein Gebührenbescheid erstellt und nicht eine privatrechtliche Abrechnungsform (z. B. Rechnung,) gewählt wird (siehe auch Abschnitt 2b.1 Absatz 7 UStAE).
⇒ Beispiel: „§ 47 Abs. 4 LBauO, Stellplätze und Garagen“
Gemäß § 47 Abs. 4 LBauO ist der Bauherr eines Gebäudes verpflichtet, PKW-Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe sowie in geeigneter Beschaffenheit herzustellen. Allerdings kann gemäß § 47 Abs. 4 LBauO (unter weiteren Voraussetzungen) eine Kommune den Bauherrn gegen Zahlung eines Geldbetrages von der Verpflichtung befreien. Dazu schließt die Kommune mit dem Bauherrn einen sogenannten Ablösungsvertrag. Der Vertrag zur Ablösung von PKW-Stellplätzen wird in Vollzug einer öffentlich-rechtlichen Norm geschlossen und ist daher öffentlich-rechtlicher Natur. Die Kommune handelt hier nicht im Rahmen einer unternehmerischen Betätigung. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Sonderregelung in Form eines Gesetzes vor; die Leistung ist daher nicht umsatzsteuerbar.
Erbringt eine Kommune Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage (z. B. Kauf-, Pacht- oder Mietvertrag), kommt § 2b UStG als tätigkeitsbezogene Befreiungsvorschrift von der Unternehmereigenschaft grundsätzlich nicht zur Anwendung. Diese Ausgangsleistung der Kommune ist folglich umsatzsteuerbar und, sofern keine Befreiungsvorschrift nach § 4 UStG greift, auch umsatzsteuerpflichtig.
Eine Ausnahme bilden die sogenannten Hilfsgeschäfte im Sinne der Textziffern 19 und 20 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016 (BStBl. I S. 1451). Diese fallen zwangsläufig und wiederkehrend im hoheitlichen Bereich an und basieren auf privatrechtlicher Grundlage. Trotzdem sollen sie nach dem Willen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) unter die Sonderregelung des § 2b UStG fallen. Genannt werden dort beispielhaft
- Veräußerungen von Gegenständen, die im nichtunternehmerischen Bereich eingesetzt waren, z. B. der Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen, Einrichtungsgegenständen und Altpapier;
- Überlassung des Telefons an im nichtunternehmerischen Bereich tätige Arbeitnehmer zur privaten Nutzung;
- Überlassung von im nichtunternehmerischen Bereich eingesetzten Kraftfahrzeugen an Arbeitnehmer zur privaten Nutzung.
Die Regelung zu den Hilfsgeschäften kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, sofern die jPdöR nicht ausnahmsweise händlertypisch am Markt auftritt (siehe auch Abschnitt 2b Abs. 9 UStAE).