3.2. Vorliegen größerer Wettbewerbsverzerrungen
Nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG gelten Kommunen auch dann als Unternehmer, wenn sie zwar auf öffentlich-rechtlicher Grundlage handeln, mit ihren Tätigkeiten jedoch in größerem Wettbewerb zu anderen Unternehmen treten. Das Merkmal „größere Wettbewerbsverzerrung“ ist in § 2b Abs. 1 UStG nicht näher definiert.
Können hingegen bestimmte Tätigkeiten nur von jPdöR erbracht werden (sogenannte Vorbehaltsaufgaben; siehe auch Tz. 3.3), liegen grundsätzlich auch keine wettbewerbsrelevanten Tätigkeiten und somit keine Unternehmereigenschaft vor. Dies ist insbesondere der Fall bei kommunalen Tätigkeiten, welche auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung (siehe Tz. 3.1.) erfolgen und für die ein Anschluss- oder Benutzungszwang besteht (z. B. die Hausmüllentsorgung nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, die Erstellung eines Personalausweises, im Bereich des Standes- bzw. Einwohnermeldeamtes oder im Bereich der kommunalen Friedhofsbestattung).
Wettbewerbsverzerrungen können nur bestehen, wenn die entsprechende Tätigkeit auch von privaten Unternehmern erbracht werden kann und nach der Art der Leistung eine Marktrelevanz gegeben ist. Dabei reicht bereits eine potentielle Markrelevanz.
⇒ Beispiel: „Feuerbestattung“
Eine Kommune bietet auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Satzung fortwährend Feuerbestattungen gegen Gebühr an. Eine öffentlich-rechtliche Sonderregelung liegt somit vor. Allerdings ist bezogen auf diese Tätigkeit von einem potentiellen Wettbewerb auszugehen, da kein Abnahmezwang besteht und der Betrieb von Krematorien auch privaten Unternehmern gestattet ist; es kommt nicht darauf an, ob in dem Gebiet der Kommune tatsächlich ein privates Krematorium betrieben wird. Es ist folglich von einer wettbewerbsrelevanten Tätigkeit auszugehen; die entsprechenden Gebühren unterliegen folglich der Umsatzsteuer.
In § 2b Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG werden Regelbeispiele genannt, in denen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen sollen, sofern die jPdöR auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig werden. Nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG liegen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn der von der jPdöR im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500 Euro jeweils nicht übersteigen wird. Wenn dieser Grenzwert unterschritten wird, ist immer von unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen und somit zugleich von nichtunternehmerischen Tätigkeiten auszugehen.
Dies gilt entsprechend der Regelung des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG auch, wenn vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen zwingend einer Steuerbefreiung unterliegen und kein Recht auf Verzicht nach § 9 UStG besteht. Folglich wird die Kommune bei Erbringung dieser Tätigkeiten grundsätzlich nicht unternehmerisch tätig.
⇒ Beispiel: „Gesundheitsamt“
Das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung eines Landkreises bietet auf öffentlich-rechtlicher Grundlage durch angestellte Ärzte Schutzimpfungen an und erzielt damit jährliche Gebühren in Höhe von 26.500 Euro. Die Kreisverwaltung wird im Rahmen der Durchführung der Schutzimpfungen nicht im Rahmen öffentlicher Gewalt tätig, folglich ist § 2b UStG nicht anwendbar. Die Leistung erfolgt im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit; sie ist steuerbar, jedoch steuerfrei gem. § 4 Nr. 14 UStG.
⇒ Beispiel: „Museumsleistungen“
Eine Kommune erhebt für den Eintritt in ein Museum Einnahmen auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Satzung. Die jährlichen Einnahmen betragen 75.000 Euro. Die Kommune wird mit den Museumsleistungen folglich auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig. Da Museumsleistungen immer (auch bei privaten Wirtschaftsteilnehmern) der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 20a UStG unterliegen und keine Optionsmöglichkeit nach § 9 UStG besteht, wird die Kommune mit diesen Leistungen aufgrund der Regelung des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht unternehmerisch tätig. Die Ticketeinnahmen sind folglich nicht umsatzsteuerbar.