5. Tax Compliance Management System (TCMS)
Mit der Regelung des § 2b UStG, die in den Kommunen spätestens ab dem Jahr 2025 anzuwenden sein wird, wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand neu geregelt. Damit hat sich das bisherige Regel-Ausnahmeverhältnis in Bezug auf die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand umgekehrt. Folge ist ein deutlich weiter gefasster Unternehmerbegriff jPdöR und damit auch der Kommunen; dies führt wiederum dazu, dass künftig mehr Leistungen von Kommunen der Umsatzbesteuerung unterliegen. Dieser Paradigmenwechsel macht ein Umdenken auf kommunaler Ebene erforderlich. Zudem haben sich im Zuge der Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung und deren Geschäftsprozesse die Anforderungen an eine Steuerung und Kontrolle von Risiken auch in Bezug auf die Einhaltung von steuerlichen Pflichten bei allen Steuerarten weiter verändert. Die interne Organisation der Kommunen zur Erfüllung der steuerrechtlichen Verpflichtungen muss folglich an die gestiegenen Erwartungen des Gesetzgebers angepasst werden.
Die Regelung des § 153 der Abgabenordnung (AO) bestimmt, dass Steuerpflichtige, wozu auch Kommunen als jPdöR gehören, ihre Steuererklärungen unverzüglich zu berichtigen haben, sobald sie erkennen, dass diese unvollständig oder unrichtig sind. Gleichzeitig ist die Finanzverwaltung verpflichtet, bei der Berichtigung von Steuererklärungen nach § 153 AO sowie in Fällen der Nachforderung im Anschluss an Außenprüfungen zu prüfen, ob mit den entstehenden Steuernachforderungen die Tatbestandsmerkmale einer leichtfertigen oder gar einer vorsätzlichen Steuerverkürzung einhergehen.
Das Bundesfinanzministerium hat mit dem Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23. Mai 2016 (Az. IV A 3 – S 0324/15/10001, IV A 4 – S 0324/14/10001) neue Grundsätze zu den steuerlichen Anzeige- und Berichtigungspflichten veröffentlicht. Unter anderem wird ausgeführt, dass das Vorliegen eines innerbetrieblichen Kontrollsystems zur Erfüllung von steuerlichen Pflichten (IKS Steuern) ein Indiz gegen vorsätzliche oder leichtfertige Steuerverkürzung darstellen kann.
Das vorgenannte IKS Steuern wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Tax Compliance Management System (TCMS) bezeichnet.
TCMS meint begrifflich ein organisatorisches System, das die vollständige und rechtzeitige Einhaltung steuerlicher Regeln und Pflichten sicherstellt. Hierunter fallen sowohl gesetzliche Bestimmungen als auch interne Richtlinien. Ein TCMS ist gleichbedeutend mit einer umfassenden Erfassung, Beschreibung, Wirksamkeitsanalyse und Dokumentation des gesamten Steuererklärungsprozesses. Es schließt sämtliche Steuern, steuerliche Nebenleistungen sowie ggf. auch die Einhaltung zollrechtlicher Bestimmungen ein. Das Risiko von Verstößen gegen geltendes Recht soll gesenkt bzw. nach Möglichkeit ganz vermieden werden.
Im Unterschied zum einem ggf. bereits bestehenden allgemeinen Innerbetrieblichen Kontrollsystem, welches ein Teilsystem zur Überwachung für die Gesamtheit der Mechanismen zur Kontrolle darstellt, umfasst ein TCMS thematisch ausschließlich die Abläufe und Maßnahmen, welche die Einhaltung steuergesetzlicher Vorgaben betreffen.
Zu der Einführung eines TCMS wird in Tz. 2.6 des Anwendungserlasses zu § 153 AO vom 23. Mai 2016 u. a. in Satz 6 Folgendes ausgeführt:
„Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.“
Die Einrichtung eines IKS Steuern bzw. TCMS in Kommunen kann somit bewirken, dass steuerliche Pflichtverstöße verhindert bzw. minimiert werden (z. B. Vermeidung Organisationsverschulden bzw. des Vorwurfs der Aufsichtspflichtverletzung im Sinne von § 130 OWiG). Hauptziel eines TCMS ist die Sicherstellung der Erfüllung der steuerlichen Pflichten in den Kommunen. Weiterhin können durch Einrichtung eines solchen TCMS Reputationsschäden und außerplanmäßige Haushaltsbelastungen für eine Kommune sowie persönliche Haftungsrisiken der verantwortlich handelnden Personen vermieden werden.
Seitens der Finanzverwaltung existieren keine konkreten Vorgaben oder Definitionen zu einem IKS Steuern bzw. TCMS. Jedoch hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) mit dem Praxishinweis 1/2016 zur Ausgestaltung und Prüfung eines TCMS gemäß IDW PS 980 eine gute und detaillierte Vorlage für die Ausgestaltung eines TCMS veröffentlicht, die bei der Einführung eines TCMS Berücksichtigung finden sollte.
Auch hat der Deutsche Städtetag unter dem Titel „Tax Compliance in Kommunen – Leitfaden des Deutschen Städtetages für den Aufbau eines innerbetrieblichen Kontrollsystems für Steuern“, im April 2017 einen Diskussionsentwurf zum Thema veröffentlicht. Dieser Leitfaden versteht sich als Beitrag zu den Diskussionen um den vorgenannten IDW-Prüfungsstandard für ein TCMS in den Kommunen.
Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung des gesetzlichen Vertreters der Kommune, ein funktionierendes TCMS zu implementieren und stetig zu prüfen, weiterzuentwickeln bzw. zu aktualisieren.
Die Einführung und Anwendung eines TCMS wird inzwischen von Rechtsprechung und der Finanzverwaltung grundsätzlich als haftungsminimierende Maßnahme angesehen, welche – wie bereits beschrieben – geeignet sein kann, die persönlichen Risiken der verantwortlichen Person(en) zu begrenzen. Der Umgang mit der Thematik erfordert eine tiefergehende Sensibilisierung der Verwaltungsspitze, der Führungskräfte sowie der sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen. Es besteht in jedem Fall die Notwendigkeit ein TCMS in den Kommunen zeitnah einzuführen und zu verankern.