1. Geborene Selbstverwaltungsaufgaben der Verbandsgemeinde nach § 67 Abs. 1 GemO

Zu den geborenen Selbstverwaltungsaufgaben der Verbandsgemeinde, die zum 1. Januar 1975 von den Ortsgemeinden auf die Verbandsgemeinden übergegangen sind, gehören folgende:

Nach Nummer 1 nimmt die Verbandsgemeinde die ihr nach dem Schulgesetz (SchulG) übertragenen Aufgaben wahr (Schulträgerschaft). Die Verbandsgemeinden sind nach § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchuIG obligatorisch (sofern nicht die Ausnahme des § 76 Abs. 1 Satz 2 SchulG greift) Trägerinnen der Grundschulen. Sie können nach § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchulG neben den Landkreisen auch Träger von Realschulen plus, organisatorisch verbundenen Grund- und Realschulen plus und von Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen sein. Aus einem Landkreis und einer ihr angehörenden Verbandsgemeinde kann kein Schulverband im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 SchulG als Träger einer Realschule plus gebildet werden (OVG RP, Urteil vom 25. März 2011 – 2 A 11416/10.OVG -). § 76 Abs. 2 SchulG sei – so das OVG – wegen des in § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchulG festgelegten Vorrangs der alleinigen Schulträgerschaft einer in dieser Vorschrift genannten Gebietskörperschaften sowie im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bezweckte Vereinheitlichung der Schulträgerschaft einschränkend auszulegen. Danach könne ein Schulverband bei Beachtung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der Absätze 1 und 2 des § 76 SchulG nur aus benachbarten Gebietskörperschaften, nicht hingegen aus einer kreisangehörigen Gemeinde und dem Landkreis gebildet werden. Soweit § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchulG neben einer Verbandsgemeinde, einer verbandsfreien Gemeinde und einer großen kreisangehörigen Stadt auch den Landkreis als Schulträger vorsieht, solle dies die Übernahme der Schulträgerschaft durch den Landkreis lediglich dann ermöglichen, wenn die kreisangehörige Standortgemeinde hierzu finanziell nicht in der Lage ist und zudem die Errichtung eines Schulverbands aus benachbarten Gebietskörperschaften ausscheidet. In einem solchen Fall übernehme der Landkreis anstelle der Standortgebietskörperschaft dem Regelfall des § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchulG entsprechend der allgemeinen Regelung die Trägerschaft der Realschule plus. Insoweit bestehe kein Bedarf für die Errichtung eines Schulverbands aus einer kreisangehörigen Gemeinde und dem Landkreis, weil bereits § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchulG mit Blick auf die kreisangehörigen Gebietskörperschaften einerseits und den Landkreis andererseits eine abschließende Regelung der Trägerschaft von Realschulen plus enthalte.

Nummer 2 bestimmt den Brandschutz und die technische Hilfe als Aufgaben der Verbandsgemeinde. Eine spezialgesetzliche Aufgabenzuweisung enthält das Brand- und Katastrophenschutzgesetz, nach dem die Verbandsgemeinden die in diesem Gesetz den Gemeinden zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Mit dieser Aufgabenübertragung auf die Verbandsgemeinde war nicht die Zielsetzung verbunden, bestehende örtliche Einheiten aufzulösen, sondern sie innerhalb größerer Stützpunktbezirke zur Unterstützung einer Zusammenarbeit organisatorisch zusammenzufassen. Dieses Verbundsystem aus Stützpunkten und kleineren örtlichen Feuerwehreinheiten stellt hinsichtlich der Effektivität der Gefahrenabwehr, der Belastbarkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen und der Kosten für ein leistungsfähiges Hilfeleistungssystem eine optimierte und gleichzeitig wirtschaftliche Lösung dar.

Gemäß Nummer 3 gehören der Bau und die Unterhaltung von zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen zu den Aufgaben der Verbandsgemeinde. Eine spezialgesetzliche Aufgabenregelung enthält das Sportförderungsgesetz. Zentrale Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen sind öffentliche Einrichtungen, die Zwecken des Sports, des Spiels oder der Freizeitgestaltung dienen und die nach ihrer Planung oder nach Standort, Umfang und Ausstattung nicht nur für die Benutzung durch die Einwohner der Ortsgemeinde des Standorts, sondern auch für die Mehrheit der übrigen Gemeinden derselben Verbandsgemeinde bestimmt und geeignet sind. Dazu gehören insbesondere Hallenbäder, Freibäder, Sporthallen sowie Sportplätze mit ausgebauten leichtathletischen Anlagen. Schulsportanlagen und Einrichtungen, die vorwiegend Kurzwecken dienen, gehören nicht zu den zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen. Ein Freibad ist grundsätzlich eine zentrale Sport-, Spiel- und Freizeitanlage im Sinne dieser Bestimmung. Dabei kommt einer peripheren Lage des Bades keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Begriff der Zentralität nicht allein im räumlichen Sinne zu verstehen ist. Diese Formulierung soll zum Ausdruck bringen, dass die jeweilige Einrichtung eine zentrale Bedeutung hat, die sie in erster Linie von ihrer Funktion und erst in zweiter Linie von der Lage her für die Benutzung der Mehrheit der Einwohner der Verbandsgemeinde bestimmt und geeignet erscheinen lässt (OVG RP, Urteil vom 29. Juli 1980 – 7 A 95/79 – AS 16, 34).

Nur auf den örtlichen Bedarf einer Ortsgemeinde zugeschnittene Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen stehen in der Bau- und Unterhaltungslast der Ortsgemeinde. Eine zentrale Sportanlage kann zugleich die Aufgabe einer örtlichen Sportanlage der Standortgemeinde erfüllen. Hintergrund ist, dass eine Ortsgemeinde ab einer gewissen Größenordnung regelmäßig nicht umhin kommt, eine den geltenden Normen hinsichtlich Größe und Ausstattung entsprechende Sportanlage zur Verfügung zu stellen. Von der Wahrnehmung dieser Aufgabe und der entsprechenden Kostentragung ist die betreffende Ortsgemeinde durch den Aufgabenübergang nicht entlastet worden. Bei einer solchermaßen kombinierten Sportanlage ist seitens der Verbandsgemeinde die Erhebung einer Sonderumlage erforderlich, mit der die der Standortgemeinde ersparten Aufwendungen abgeschöpft werden. Dies gilt beispielsweise nicht nur für Sportplätze, sondern ab einer gewissen Größenordnung und besonderer Bedarfssituation einer Ortsgemeinde auch für Schwimmbäder.

Die in Nummer 4 genannten überörtlichen Sozialeinrichtungen sind Sozialstationen, Altenheime, Altenpflegeheime, Jugendheime, Unterkünfte für Obdachlose und Nichtsesshafte oder zu ähnlichen Zwecken bestimmte und geeignete Einrichtungen, die nach ihrer Planung oder nach Standort, Umfang und Ausstattung nicht nur für die Einwohner einer Ortsgemeinde, sondern auch für Einwohner der Mehrheit der Ortsgemeinden derselben Verbandsgemeinde bestimmt und geeignet sind. Wenn sich kein Träger der freien Jugendhilfe für eine im Bedarfsplan (§ 19 KiTaG) des zuständigen Jugendamtes vorgesehene Tageseinrichtung (§ 2 Abs. 1 KiTaG – Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und nach Maßgabe dieses Gesetzes gefördert werden) findet, ist nach § 5 Abs. 4 Satz 1 KiTaG die Trägerschaft grundsätzlich eine Aufgabe der Ortsgemeinde als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung. Der Vorbehalt, dass sich kein Träger der freien Jugendhilfe findet, trägt dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung. Nach § 5 Abs. 4 KiTaG kann die Trägerschaft von der Verbandsgemeinde oder einem Zweckverband übernommen werden.

Nach Nummer 5 nimmt die Verbandsgemeinde die Wasserversorgung wahr. § 48 Abs. 1 Satz 1 des Landeswassergesetzes (LWG) bestimmt als spezialgesetzliche Aufgabenregelung, dass die Verbandsgemeinden als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung die öffentliche Wasserversorgung einschließlich der Vorhaltung von Löschwasser für den Brandschutz in ihren Gebieten sicherzustellen haben. Von dem Aufgabenübergang auf die Verbandsgemeinde war der Fall ausgeschlossen, dass eine Ortsgemeinde am 1. Januar 1975 die Wasserversorgung im Verbund mit anderen Versorgungsbetrieben nach Maßgabe der Eigenbetriebs- und Anstaltsverordnung geführt hat.

Die nach Nummer 6 in der Trägerschaft der Verbandsgemeinde stehende Abwasserbeseitigung ist in § 57 Abs. 1 LWG ebenfalls spezialgesetzlich geregelt. Danach haben die Verbandsgemeinden als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung sicherzustellen, dass das in ihrem Gebiet anfallende Abwasser ordnungsgemäß beseitigt wird. Hierzu gehört nicht die Entwässerung der Straßen. Diese ist der Straßenbaulast des jeweiligen Trägers zugeordnet.

Gemäß Nummer 7 obliegen der Verbandsgemeinde der Ausbau und die Unterhaltung von Gewässern III. Ordnung. In § 68 Abs. 1 LWG/§ 67 WHG und § 35 Abs. 1 LWG/§ 39 WHG ist dies spezialgesetzlich bestimmt. Dabei wird die Gewässerunterhaltung als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung wahrgenommen. Die Unterhaltungspflicht von Ortsgemeinden als Eigentümer stehender oder künstlicher fließender Gewässer ist nicht auf die Verbandsgemeinde übergegangen; hier ist der Eigentümer verantwortlich (§ 40 Abs. 1 WHG).

Autor: Moritz Petry, Stefan Heck Drucken nächstes Kapitel