1. Verbandsgemeindeumlage
§ 72 GemO ermächtigt die Verbandsgemeinden zur Umlageerhebung von den Ortsgemeinden, soweit die eigenen Finanzmittel nicht ausreichen. Die Verbandsgemeinde muss demnach ihre Aufgaben in erster Linie durch eigene Finanzmittel finanzieren. Nur soweit die sonstigen Finanzmittel den Mittelbedarf nicht decken, dürfen die Ortsgemeinden mit der Verbandsgemeindeumlage belastet werden. Wird dieser gesetzliche Nachrang der Verbandsgemeindeumlage nicht beachtet, ist die Umlageerhebung insoweit rechtswidrig.
Die Verbandsgemeindeumlage dient der Finanzierung der von der Verbandsgemeinde benötigten Mittel. Die Verbandsgemeinde benötigt nur Mittel zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben. Daraus ergibt sich eine weitere tatbestandliche Grenze der Umlageerhebung. Die Verbandsgemeinden besitzen im Gegensatz zu den Ortsgemeinden nicht die Universalität des Wirkungskreises. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (sog. umfassende Allzuständigkeit). Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG bestimmt indes, dass zwar auch die Gemeindeverbände im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung haben, jedoch hier eingeschränkt auf den gesetzlichen Aufgabenbereich (keine umfassende Allzuständigkeit). Sie haben Zuständigkeiten nur im Rahmen der abschließenden gesetzlichen Aufgabenzuweisung, die insbesondere durch die §§ 67 und 68 GemO, aber auch spezialgesetzlich erfolgt ist. Nimmt die Verbandsgemeinde Aufgaben außerhalb ihrer Zuständigkeit wahr, so enthält der Haushaltsplan Ausgaben für verbandsgemeindefremde Aufgaben. Die Erhebung der Verbandsgemeindeumlage ist insoweit ebenfalls rechtswidrig. Allerdings muss es sich um Aufgabenüberschreitungen handeln, die im Zusammenhang mit der Festsetzung des Umlagesolls erheblich sind.
§ 72 GemO verweist hinsichtlich der Berechnung der Verbandsgemeindeumlage auf das Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG). § 32 Abs. 1 LFAG regelt, dass die Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage (§ 31 Abs. 1 und 2) mit Ausnahme von § 31 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 entsprechend für die Verbandsgemeindeumlage gelten, die die Verbandsgemeinde nach § 72 der Gemeindeordnung von den Ortsgemeinden erhebt. Zur näheren Information wird auf den Aufsatz zum Landesfinanzausgleich verwiesen.
Von den Ortsgemeinden wird neben der Verbandsgemeindeumlage vom Landkreis eine Kreisumlage erhoben. Das OVG RP hat in den aktuellen Urteilen 10 A 10425/19.OVG und 10 A 10426/19.OVG vom 12. Juli 2023 festgestellt, dass der gegenüber einer Ortsgemeinde erlassene Kreisumlagebescheid und der Bescheid über die von ihr an die Verbandsgemeinde zu leistende Verbandsgemeindeumlage rechtswidrig ist, weil den Bescheiden zu Grunde liegenden Festsetzungen des Kreisumlagesatzes in der Haushaltssatzung des Landkreises bzw. des Verbandsgemeindeumlagesatzes in der Haushaltssatzung der Verbandsgemeinde jeweils wegen Verstoßes gegen verfahrensrechtliche Vorgaben unwirksam sind. Bei ihrem Erlass seien die unmittelbar aus dem Grundgesetz abzuleitenden verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht hinreichend beachtet worden. So verpflichte der in Art. 28 Abs. 2 GG wurzelnde Grundsatz des Gleichrangs des Finanzbedarfs der kommunalen Gebietskörperschaften den Landkreis bei der Erhebung einer Kreisumlage in verfahrensrechtlicher Hinsicht, nicht nur seinen eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln, wobei die ermittelten Informationen dem Kreistag als dem für die Umlagefestsetzung zuständigen Organ bei der Beschlussfassung über den Kreisumlagesatz vorliegen müssten. Insoweit müsse zumindest ein aktueller, d.h. das betroffene Haushaltsjahr abbildender, bezifferter Bedarfsansatz für jede kreisangehörige Gemeinde vorliegen. Weiter sei die Entscheidung über die Umlagefestsetzung als Ergebnis der Gewichtung der finanziellen Belange in geeigneter Form – etwa im Wege einer Begründung der Ansätze der Haushaltssatzung – offenzulegen.
In dem parallelen Verfahren betreffend die Verbandsgemeindeumlage gab das im Berufungsverfahren aus dieser Anfechtungsklage gegen den Umlagebescheid statt. Die Verbandsgemeinde habe die ihr obliegende Ermittlungs- und Offenlegungspflicht nicht hinreichend beachtet. Bei der Beschlussfassung des Verbandsgemeinderates über die Haushaltssatzung 2013 und darin über die Höhe des Verbandsgemeindeumlagesatzes hätten dem Verbandsgemeinderat keine hinreichenden aktuellen, d.h. auf das Haushaltsjahr bezogenen, bezifferten Bedarfsansätze für die umlagepflichtigen Gemeinden vorgelegen bzw. solche seien nicht offengelegt worden.
Auf die GStB-N Nr. 0295/2023 und 0395/2023 wird ergänzend verwiesen.
Bei der Überprüfung, ob durch die Umlageerhebung in unzulässiger Weise die ortsgemeindliche Finanzhoheit verletzt wird, verbietet sich jedoch eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Umlagesatzes. Vielmehr müssen die Gesamtbelastungen des Finanzausgleichssystems beurteilt werden, also durch Verbandsgemeindeumlage, Kreisumlage, Gewerbesteuerumlage und Finanzausgleichsumlage.
Nach dem Urteil des BVerwG vom 31. Januar 2013 – 8 C 1.12 – NVwZ 2013, 1078 verstößt die Erhebung einer Kreisumlage mit progressivem Anteil dann gegen den in Artikel 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung der Ortsgemeinden, wenn die gemeindliche Verwaltungsebene allein dadurch oder im Zusammenhang mit anderen Umlagen auf Dauer strukturell unterfinanziert ist. Dies gilt für die Verbandsgemeindeumlage entsprechend.
Bei der Veranlagung der Ortsgemeinden zur Verbandsgemeindeumlage handelt es sich um Verwaltungsakte. Die Umlageerhebung kann demnach mit Anfechtungswiderspruch und nachfolgender Anfechtungsklage angefochten werden. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung, weil es sich bei der Verbandsgemeindeumlage als Sonderabgabe um eine öffentliche Abgabe im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung handelt. Da der Umlagesatz in der Haushaltssatzung der Verbandsgemeinde festgesetzt wird, kann eine Ortsgemeinde gegen die Haushaltssatzung im Wege der abstrakten Normenkontrolle vorgehen. Anfechtungswiderspruch bzw. -klage und Normenkontrollantrag setzen voraus, dass die Ortsgemeinde geltend macht, in ihren Rechten verletzt zu sein. Eine solche Geltendmachung setzt ein Mindestmaß an Substantiierung in den Darlegungen des Widerspruchs bzw. Antrags voraus. Nicht ausreichend ist es, wenn lediglich einzelne Haushaltsansätze im Haushaltsplan wegen Überschreitung der Kompetenzgrenze gerügt werden. Die Erheblichkeit einer Kompetenzüberschreitung setzt zwingend Ausführungen hinsichtlich der einzelnen Haushaltsstellen, des im Haushaltsplan genannten Haushaltszwecks wie auch eine rechnerische Darlegung des betroffenen Betrags voraus. Die Erheblichkeit ist nicht bei jeglicher noch so geringfügigen Überschreitung der Kompetenzgrenze gegeben. Jedenfalls kann bei einer Unterschreitung von 0,1 v. H. der Umlagegrundlagen keine Rechtsverletzung dargelegt werden. Bei dieser Betrachtung bleiben in der Regel Bagatellpositionen, also veranschlagte geringe Einzelbeträge für verbandsgemeindefremde Aufgaben, außen vor.