3. Ausnahmeregelungen

Kommt man nach der ersten Prüfung zum Ergebnis, dass grundsätzlich Haushalts- oder Vergaberecht Anwendung findet, könnte es durchaus vorkommen, dass die zu beschaffende Leistung aufgrund unterschiedlicher Ausnahmeregelungen ohne Wettbewerb vergeben werden kann.

Das ist u. a. der Fall, wenn die Leistung eine bestimmte Wertgrenze unterschreitet und der Aufwand bzgl. der Einholung von Vergleichsangeboten nicht mehr im Verhältnis zum Auftragswert steht (sog. Direktauftragsgrenze). Derzeit liegt diese bei 3.000 Euro (netto). Für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren (Grundleistungen, Beratungsleistungen wie Umweltverträglichkeitsstudien und besondere Leistungen wie Bedarfsplanung und Bedarfsermittlung nach § 3 Abs. 1 bis 3 HOAI) liegt die Grenze sogar bei 25.000 Euro (netto). Hier genügt somit ein (wirtschaftliches) Angebot.

Darüber hinaus beinhalten die §§ 107 und 116 GWB weitere Ausnahmen, bei denen ein Wettbewerb ganz oder teilweise unterbleiben kann. Bspw. fällt der Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken (und Gebäuden) nicht unter vergaberechtliche Vorschriften.

Auftraggeber müssen Grundstückskaufverträge mit Bauverpflichtung nur dann in einem Vergabeverfahren ausschreiben, wenn der Auftraggeber an dem Bau ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat.[1] Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil wird nach der europäischen Rechtsprechung in folgenden Fallgruppen angenommen:

  • Der öffentliche Auftraggeber erwirbt Eigentum an dem Bauwerk.
  • Der öffentliche Auftraggeber verfügt über einen Rechtstitel, der ihm die Verfügbarkeit des Bauwerks sicherstellt.
  • Der öffentliche Auftraggeber erhält wirtschaftliche Vorteile aus der Nutzung des Bauwerks (zum Beispiel Behördenparkplätze oder öffentliche Parkplätze, die er ansonsten selbst anlegen müsste).
  • Der öffentliche Auftraggeber beteiligt sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks, indem er einen Zuschuss bewilligt oder das Grundstück unter Marktpreis verkauft.
  • Der öffentliche Auftraggeber übernimmt Risiken für den Fall des wirtschaftlichen Fehlschlags.

Auch unterliegen bestimmte Arten einer öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit nach den Regelungen des § 108 GWB keinen wettbewerblichen Regelungen, sodass eine Direktbeauftragung möglich ist (sog. Inhouse-Vergabe). Die Fallgestaltungen sind vielfältig, aber auch an enge Anforderungen geknüpft. So kann bspw. eine Kommune einen öffentlichen Auftrag direkt (vergaberechtsfrei) an ein Unternehmen vergeben, dessen Anteile sie selbst (oder mehrere) innehat, wenn das Unternehmen hauptsächlich für die Kommune tätig wird. Sie muss – neben weiteren Voraussetzungen – auf das beauftragte Unternehmen eine Kontrolle ausüben wie auf eine „eigene Dienststelle“. Auch Verträge unter mehreren öffentlichen Auftraggebern können vom Vergaberecht befreit sein.

Aber auch zeitlich befristete Ausnahmeregelungen sind kein Einzelfall. Bund und Länder reagieren auf unvorhergesehene Naturereignisse und Katastrophenfälle (Corona, Energiekrise, Flutkatastrophe etc.) mit vergaberechtlichen Erleichterungen, die auch Direktaufträge zulassen.


[1]   vgl. OLG Jena, 15. März 2017, 2 Verg 3/16

Autor: Klaus Faßnacht, Simon Layher Drucken voriges Kapitel