5.1 Hybride Ratssitzungen

Hybridsitzungen können unabhängig vom Bestehen einer Notlage erfolgen. Der Vorsitzende darf sich jedoch nicht zuschalten, sondern muss die Sitzung in Präsenz leiten. Eine rein digitale Sitzung wird durch die Regelung des § 35 a GemO jedoch nicht ermöglicht.

Nach dem Wortlaut des § 35 a Abs. 1 Satz 1 GemO bedarf es der Zustimmung der zugeschalteten Ratsmitglieder. Dieses ist jedoch ausweislich der Gesetzesbegründung nicht als förmliches Zustimmungserfordernis zu sehen. Die Regelung soll zum Ausdruck bringen, dass eine Zuschaltung mittels Ton- und Bildübertragung für das zugeschaltete Ratsmitglied freiwillig sein muss und gegen den Willen des Ratsmitglieds nicht zulässig ist. Für die Ton- und Bildübertragung selbst ist aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Einwilligung der teilnehmenden Personen erforderlich.

Der Gesetzgeber verspricht sich von der Möglichkeit von Hybridsitzungen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und kommunalem Ehrenamt. Eine Rechtspflicht zur Einführung besteht nicht. Erforderlich ist eine Regelung in der Geschäftsordnung. Dabei kann diese Regelung voraussetzungslos erfolgen oder Hybridsitzungen nur für bestimmte Konstellationen zugelassen werden. Denkbar sind z. B. die Zuschaltung nur im Falle von öffentlichen Sitzungen bzw. das Anknüpfen an besonderen Gründen (z. B. Kinderbetreuung, Dienstreisen). Ebenso möglich ist die Zulassung von Hybridsitzungen nur bei bestimmten Ausschüssen oder der Ausschluss von Hybridsitzungen, wenn bestimmte Beratungsgegenstände auf der Tagesordnung stehen.[1]

Unzulässig ist die Zuschaltung kraft Gesetzes bei konstituierenden Sitzungen, Satzungsbeschlüssen, geheimen Abstimmungen und geheimen Wahlen (§ 35 a Abs. 1 Satz 5 GemO). Sieht die Tagesordnung unter anderem auch Satzungsbeschlüsse, geheime Abstimmungen oder Wahlen vor, ist die Durchführung der Sitzung als Hybrid kraft Gesetzes möglich. Allerdings gelten in diesen Fällen die zugeschalteten Ratsmitglieder für die entsprechenden Tagesordnungspunkte als nicht anwesend im Sinne des § 39 Abs. 1 GemO.

Der Vorsitzende, die vor Ort anwesenden Ratsmitglieder und die zugeschalteten Ratsmitglieder müssen sich gegenseitig optisch und akustisch wahrnehmen können. Auch für die anwesende Öffentlichkeit ist eine Wahrnehmbarkeit zu gewährleisten (Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit).

Im Falle einer technischen Störung, die nachweislich in den in den Verantwortungsbereich der Kommune fällt, hat der Vorsitzende die Sitzung zu unterbrechen oder abzubrechen bzw. die Sitzung darf nicht begonnen werden (§ 35 a Abs. 2 Satz 4 GemO). Sonstige Störungen der Zuschaltung sind unbeachtlich und haben keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines ohne das betroffene Ratsmitglied gefassten Beschlusses (z. B. allgemeine Netzstörungen außerhalb der Gemeindeverwaltung, unzureichende Fertigkeiten bei der Bedienung der Endgeräte durch das zugeschaltete Ratsmitglied). Für die Feststellung der Beschlussfähigkeit im Sinne des § 39 GemO ist es allerdings nicht relevant, welcher Sphäre eine Störung zuzurechnen ist. Es kommt allein auf die tatsächliche persönliche und virtuelle Anwesenheit an (vgl. § 35 a Abs. 2 Satz 5 GemO).


[1]   Eine Arbeitshilfe und Formulierungsvorschläge zur Geschäftsordnung finden sich in der GStB-N 0173/2023 vom 2. Juni 2023.

Autor: Agneta Psczolla Drucken nächstes Kapitel